Reise-Jubiläum

Kult, EU-Agenda und Statement: Interrail wird 50

Für viele Jugendliche seit Jahrzehnten ein Fixpunkt: Die Interrailtour.
Für viele Jugendliche seit Jahrzehnten ein Fixpunkt: Die Interrailtour.Imago/ Mollenhauer
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Das Interrail-Ticket feiert diesen Frühling seinen 50. Geburtstag. Mittlerweile sponsert die EU Reisewilligen ein Ticket und aus der Bahnkarte in die Freiheit ist ein umweltpolitisches Statement geworden.

Fernweh, Freiheit, Reisefieber - danach fühlt sich ein Interrailticket an. Die Urlaubsabenteuer junger Europäerinnen und Europäer sind seit 2018 sogar politische Agenda. Wie bereits in den vergangenen Jahren schickt die EU auch heuer wieder 18-Jährige auf Abenteuerreuse und verlost über das Jugendprogramm „Discover EU“ Interrail-Pässe. 70.000 Tickets stehen dafür dieses Jahr zur Verfügung, 1350 davon für österreichische Reisende, bewerben können sich 18-jährige EU-Bürgerinnen und EU-Bürger zwischen dem 7. und 21. April.

Ganze 29 Millionen Euro ist es dem Europäischen Parlament wert, dass auch die nächste Generation Europäerinnen und Europäer über Kultur, Lebensweise oder zumindest die Gegebenheiten in den Jugendherbergen anderer Mitgliedsstaaten Bescheid wissen. Ihren Ursprung hat die Aktion übrigens in einer zivilgesellschaftlichen Initiative, die sich seit 2015 dafür einsetzt, allen 18-jährigen EU-Bürgern und Bürgerinnen ein kostenfreies Interrailticket zur Verfügung zu stellen. Vorerst soll es das Programm „Discover EU“ bis 2026 geben.

Ein halbes Jahrhundert Interrail

Von Wien nach Florenz, von Florenz nach Nizza, von Nizza weiter über Barcelona nach Madrid und dann bis hinunter nach Lissabon - so oder ähnlich schauen Interrail-Routen damals wie heute aus. Dass man in den eher kurz gehaltenen Stopps, völlig übermüdet vom Schlafen im Nachtzug am Gang, tatsächlich wenig vom kulturellen Angebot der einzelnen Stationen wahrnimmt, hat über die Jahrzehnte hinweg wenig Reiselustige aufgehalten. Zu verlockend die Vorstellung davon, einen ganzen Kontinent in einem Monat kennenzulernen, vom ersten Urlaub ohne Eltern und von Übernachtungen am Strand.

Die mittlerweile Kult gewordene Art des Reisens hat ihren Ursprung in einer ähnlichen Marketingaktion. Am 1. März 1972, also vor genau 50 Jahren, wird das Interrailticket erstmals aufgelegt. Der Internationale Eisenbahnverband (UIC) wollte mit dem Europa-Monatsticket für unter 21-Jährige seinen eigenen 50. Geburtstag feiern, damals noch unter den Schlagwörtern „Völkerverständigung“ und „Freundschaft zwischen den Nationen“. Die Aktion fand Anklang, ganze 87.000 Tickets verkauften sich im ersten Jahr, aufgrund des Erfolgs wurde daraus ein permanentes Angebot. Höhepunkt seiner Beliebtheit erreichte das Ticket in den Achtzigern und Neunzigern.

Zwölf Millionen Reisende haben seither die Enge des Elternhaushalts zumindest für begrenzte Zeit erfolgreich mit dem Freiheitsgefühl von Nachtzügen, Jugendherbergen und Rucksacktourismus eingetauscht, und Reiseerinnerungen gesammelt, von denen viele ein Leben lang erzählen.

Das Lebensgefühl damals und heute

Mit dem Aufkommen von Billig-Fluglinien und erschwinglicheren Fernreisen in den Neunzigern ließ die Beliebtheit von Interrail nach. Als Reaktionen fielen die Altersbeschränkungen und die Produktpalette vervielfältigte sich: Heute können sich auch Familien und Senioren mit eigenen Interrailtickets auf Reisen begeben, ein sogenannter „One-Country-Pass“ ermöglicht eine Rundreise mit dem Zug, beschränkt auf ein Land. Und für all jene, die fehlender Komfort von Langstreckenzugreisen abgehalten hat, gibt es mittlerweile ist auch ein Interrailticket für die erste Klasse.

Interrailtickets auf einen Blick:

Mittlerweile gibt es zwei verschiedene Interrail-Angebote, den Globalpass und den One Country Pass.

Globalpass: Der Globalpass gilt in allen teilnehmenden Ländern, die Möglichkeiten reichen von 4 Tagen Zugfahrt innerhalb eines Monats bis hin zu einem dreimonatigen Ticket.

Preislich unterschieden wird auch nach Alter: Jugendliche sind besonders günstig unterwegs, Senioren erhalten zehn Prozent auf den Erwachsenenpreis. Die günstigste Version kostet 185 Euro, die teuerste 1202 Euro.

One-Country-Pass: Innerhalb eines Monats sind 3,4,5,6 oder 8 Reisetage innerhalb eines Landes möglich. Die Preise variieren je nach Land.

Heute ermöglicht der Interrail-Bahnpass Reisen in bis zu 33 Ländern mit nationalen und privaten Bahngesellschaften; insgesamt 40 Bahngesellschaften und Fährunternehmen sind für die Gestaltung des Interrail-Passes involviert.

In einigen Punkten ist das Interrail-Reisen heute aber komplizierter als im letzten Jahrhundert, in vielen internationalen Hochgeschwindigkeitszügen benötigt man eine Sitzplatzreservierung, die extra kostet.

„Slow Travel“: Die Rückkehr der Zugreise

Mittlerweile nehmen die Verkaufszahlen der Tickets wieder zu, denn in Zeiten von Flugscham und Klimakrise entdecken insbesondere junge Reisende einen großen Vorzug der Zugreise wieder für sich: Sie schont das Klima. Unter dem Schlagwort „Slow Travel“, also entstresstem und bewusstem Reisen, gewinnt die Bahnfahrt wieder an Charme. Die Entscheidung für eine Zugreise ist mittlerweile oft (umwelt)politisches Statement. Der Ausbau von Schnellverbindungen und Nachtzügen in ganz Europa tut sein Übriges. Ähnlich wie beim kultigen Interrailfeeling vor Jahrzehnten gilt auch beim zeitgenössischen Slow-Travel die Devise: Der Weg ist das Ziel.

(chrima)

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