Wer es nicht eilig hat, der sollte auf der Fahrt über die Schweizer Berge hin und wieder aussteigen. Zu entdecken gibt es Blumenfelder, Beinhäuser und einen Berg, auf dem angeblich die rastlose Seele des Pontius Pilatus weilt.
Der Bahnhof von Le Prese könnte auch eine Straßenbahnhaltestelle sein. Die Schienen liegen auf der Fahrbahn, die in das beschauliche Dorf am Lago di Poschiavo führt. Hier kommt man auf dem Weg vom italienischen Tirano hinauf zum Schweizer Berninapass vorbei, und wenn man Glück hat und es das Wetter zulässt, sitzt man in einem offenen Waggon des Regionalzugs durch das Valposchiavo.
Wer gern geruhsam reist, steigt hier aus und besucht die Kräuterfelder der Azienda biologica Raselli. Idealerweise ist Sommer, denn dann blüht es in allen Farben. Kornblumen, Ringelblumen, Brennnesseln, sogar Edelweiß werden seit 1991 angebaut und zu Tee, Gewürzmischungen und in Ricola-Kräuterzuckerln verarbeitet. Im Herbst erinnern die Felder an Teeplantagen: Per Hand werden die Blüten gezupft, in Weidenkörbe sortiert und bei 40 Grad getrocknet, damit Aroma und Farbe erhalten bleiben. In kleinen Säckchen werden sie (im Geschäft im nahen Poschiavo etwa, einen Ab-Hof-Verkauf gibt es nicht) auch als essbare Dekorblüten verkauft. Ein kulinarischer Hingucker in Blau, Rosa, Gelb oder ganz bunt.