Modeindustrie

„Ultra-Fast Fashion“ neun Jahre nach Rana Plaza

Mit großen Shows und Marketingaktionen versucht Shein ein positives Image zu generieren
Mit großen Shows und Marketingaktionen versucht Shein ein positives Image zu generieren(c) 2021 Getty Images
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Die sogenannte „Fashion Revolution Week“ gedenkt jedes Jahr im April des Einsturzes der Textilfabrik Rana Plaza. Aller Bewusstseinsbildung zum Trotz hat sich in der Modebranche ein neuer Trend gebildet: „Ultra-Fast Fashion“.

Am Sonntag, dem 24. April, jährt sich der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesh zum neunten Mal. Bei dem Unglück kamen damals mehr als 1100 Menschen ums Leben, über 2000 wurden verletzt. Und das in einem Gebäude, in dem für namhafte europäische Textilhandesunternehmen wie Inditex und damit Zara, Primark oder C&A, produziert wurde. Der Vorfall gilt bis heute als der tragischste in der Geschichte der Textilindustrie. Zum Gedenken findet jährlich Mitte April die sogenannte. „Fashion Revolution Week“ statt, die für Veränderung in der Modebranche sorgen will.

Die globale gemeinnützige Bewegung Fashion Revolution wurde 2013 gegründet und besteht aus Aktivistinnen und Aktivisten, Designerinnen und Designern sowie weitere Vertretern der Modebranche. Sie setzt sich für Umweltschutz und ethische Arbeitsbedingungen in der Modebranche ein. Im April findet jedes Jahr die Fashion Revolution Week statt.

Auch heuer werden in sozialen Netzwerken wieder von 18. bis 24. April unter dem Hashtag #Whomademyclothes Produktionsverhältnisse und Geschäftsmodelle der Modeindustrie hinterfragt. So imitiert beispielsweise der Crisis Fashion Webshop die Optik eines ganz normalen Online-Webshops, um auf die Missverhältnisse in der Textilbranche aufmerksam zu machen.

Schnelle Mode zu günstigen Preisen scheint, trotzt der vielen Bemühungen um Bewusstseinsbildung wie etwa einem Index für Transparenz in der Fashion-Industrie, immer noch ein Bedürfnis vieler Konsumentinnen und Konsumenten zu sein. Während viele große High-Streit-Konzerne wie H&M und Zara oder der Onlinehändler Zalando auf den Trend zur Nachhaltigkeit aufgesprungen sind, und sich mittels Green Washing in ein neues Licht rücken, haben sich auch neuere Akteure auf den Markt gedrängt, die Nachhaltigkeit paradoxerweise nicht einmal dem Anschein nach interessiert und die trotzdem bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen.

„Ultra-Fast Fashion“ von Shein

Bestes Beispiel dafür ist der Online-Riese Shein, der ein ganz neues Businessmodell groß gemacht hat: „Ultra-Fast Fashion“. Modische Kleider, Röcke, Hosen - das alles gibt es hier zu einem Spottpreis, kaum ein Kleidungsstück kostet über 20 Euro. Dafür gibt es einen recht große „Unter fünf Euro“-Bereich im Online-Shop. Die Zahlen geben dem Unternehmen recht. Von 2 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2018 kletterte das Unternehmen auf fast 16 Milliarden Dollar im Jahr 2021. Aktuell wird es auf einen Wert von 100 Milliarden Dollar geschätzt, das ist mehr als H&M und Zara zusammen wert sein sollen, so der britische „Guardian“ berichtet.

Der 2008 im chinesischen Guangzhou gegründete Konzern verkauft nach dem „Test and Repeat“-Modell. In Kleinstmengen von etwa 50 bis 100 Stück werden neue Modelle angefertigt, verkauft sich diese Probemenge mit Erfolg, wird aufgestockt und dann in über 150 Ländern weltweit verkauft und versandt. Zurückgeschickte Produkte landen meist direkt im Müll, da das günstiger ist, als die Kleidungsstücke wieder in den Verkauf zurückzuführen. Neben fragwürdigen und undurchsichtigen Lieferketten und Produktionsbedingungen ist Shein auch dafür bekannt, Designs bei kleinen Labels abzukupfern.

Zur Erfolgsstrategie des Unternehmens gehören übrigens auch aggressives Marketing auf den gängigen Social-Media-Plattformen mittels Online-Werbung und Influencerinnen, die als Markenbotschafterinnen fungieren.

Ruf nach Lieferkettengesetz

Der offensichtliche Erfolg von Shein trotz Berichten über unwürdige Arbeitsbedingungen in Fabriken der Zulieferer gibt der jahrelangen Forderung von NGOs nach einem Lieferkettengesetz recht, es braucht eine gesetzliche Regelung. Ein entsprechender Richtlinienentwurf der EU-Kommission zielt insbesondere auf die Modeindustrie und ihre umweltschädlichen Praktiken ab, auch wenn er vielen Aktivistinnen und Aktivisten nicht weit genug geht. So fordert etwa Kalpona Akter, Gründerin des „Bangladesh Center for Workers Solidarity“ im Zuge der Kampagne „Menschenrechte brauchen Gesetze!“ klare Nachschärfungen des Entwurfs. Nur so könne ein weiteres Unglück wie Rana Plaza verhindert werden, heißt es in einer Aussendung.

Buchtipp

Rebecca Burgess gibt in „Was steckt in unserer Kleidung?“ Einblick in den Textilkreislauf und in den Versuch, kompostierbare Kleidung zu produzieren. 

Löwenzahn Verlag, 352 Seiten, 22,90 €

(chrima)

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