NS-Opfer-Gedenken

Denkmal für verfolgte Homosexuelle: Regenbogen trägt Trauer

Modell des Denkmals für die homosexuellen NS-Opfer im Resselpark von Ortmeyer und Kolbitz.
Modell des Denkmals für die homosexuellen NS-Opfer im Resselpark von Ortmeyer und Kolbitz. (c) Markus Wache
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Seit 2005 plant die Stadt Wien eine solche Gedenkstelle. Drei Entwürfe wurden nicht realisiert bzw. zurückgezogen. Bis 2023 soll jetzt am Karlsplatz ein großer, grauer Regenbogen installiert werden.

Ein, zwei Augenblicke brauchte es, bis die Symbolik sickerte, die von der Wiener Stadtpolitik Dienstagmittag mitten auf einem Gehweg im Resselpark am Karlsplatz enthüllt wurde: sechs gebündelte graue Rohre, die einen Bogen spannen. Das also soll der endgültige Siegerentwurf für das seit so vielen Jahren, seit der ersten Ausschreibung 2005 in permanenter Umplanung befindliche „Denkmal für die Männer und Frauen, die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit wurden“ sein? Und wie heißen noch einmal die Künstlerin und der Künstler, die sich gemeinsam dieses scheinbar so simple Ding einfallen ließen?

Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz. Und sie haben mit minimalen Mitteln einen tiefgründigen Gedanken in eine große, zeitgemäße Form des Gedenkens gebracht. „Arcus. Schatten eines Regenbogens“ hilft der Werktitel weiter. Dem weltweit verwendeten, bunten Zeichen der heutigen LGBTQ-Gemeinde ist hier sozusagen jegliche Freude, das Leben genommen. Dennoch bleibt es, da in unterschiedlichen Grautönen gehalten, als Zeichen der Vielfalt lesbar. Platziert mitten auf einem Gehweg, markiert der Bogen nicht nur einen Ort, sondern schafft einen Raum, ein Dazwischen, den eine Brücke überspannt, der von einem Hier in ein Dort, aber auch von einem Damals in ein Heute führt. Schließlich müsse man nicht weit über Österreichs Grenzen blicken, um immer noch Diskriminierung von Homosexuellen zu erleben, so Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. Das Grauen spiele sich im Hier und Jetzt ab, ein solches Denkmal soll zum Denken anregen, ein permanenter Aufruf für unser Handeln sein.

Akzeptanz ist weiterhin fragil

Auch diese Fragilität gesellschaftlicher Freiheit soll sich in dem Entwurf widerspiegeln, so Ortmeyer/Kolbitz: „In der Natur ist der Regenbogen eine komplexe Erscheinung in einem zerbrechlichen Zustand. Er erstrahlt nur, wenn ganz bestimmte Gegebenheiten erfüllt sind. Dieses empfindliche Konstrukt der Gleichberechtigung und Akzeptanz ist weiterhin fragil.“ Fragil und monumental in einem ist das Denkmal dafür, drei Meter hoch, sieben Meter weit, platziert auf einem nur wenige Zentimeter hohen Sockel, wahrscheinlich aus lackierten Stahlrohren. So materialisiert sich am Ende das Unfassbare dann doch, ein Unfassbares, das den Vorsitzenden dieser Denkmaljury am aus 81 Einreichungen einstimmig gekürten Entwurf berührte: Sei dieser doch per se unfassbar, „denn ein Regenbogen als optisches Phänomen kann doch eigentlich gar keinen Schatten werfen. Und unfassbar ist auch das Geschehene, die Verfolgung und Ermordung von Menschen“, sagte Hannes Sulzenbacher (Zentrum QWien) bei der Präsentation.

Der Theaterwissenschaftler hatte auch die aktuellen Zahlen dieser Opfergruppe bereit: rund 1300 Männer und 65 Frauen wurden aufgrund von „Unzucht wider die Natur“ vor einem Wiener nationalsozialistischen Gericht nachgewiesen, fünf Todesurteile ausgesprochen und vollzogen; über 100 Männer wurden in ein Konzentrationslager deportiert, wo sie als Erkennungszeichen einen rosa Winkel tragen mussten. Weniger als 30 Prozent überlebten. Derlei Zahlen, so Sulzenbacher, gäbe es bisher nur aus Wien, in den Bundesländern wären viele Gerichtsakten vernichtet worden.

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