Buchhandel

Lesen, beraten, und auch kräftig anpacken

Viel Zeit, um selbst zu lesen, bleibt den Beschäftigten im Buchhandel während ihrer Arbeit nicht.
Viel Zeit, um selbst zu lesen, bleibt den Beschäftigten im Buchhandel während ihrer Arbeit nicht. Buchhandlung Leo
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Leselust wird in der Buchbranche vorausgesetzt. Von Mitarbeitern erwartet werden aber auch kaufmännische und organisatorische Fähigkeiten, keine Scheu vor körperlicher Arbeit und nicht zuletzt Talent im Umgang mit Kunden.

Bücher, Regale, schöne Papierwaren, zwei Sessel. Das Geschäft, das mit dem Österreichischen Buchhandlungspreis 2022 für Wien ausgezeichnet wurde, kommt ohne viel Schnickschnack aus. Bei Oechsli Buch & Papier – mit knapp fünf Jahren so etwas wie ein Youngster der Wiener Buchwirtschaft – ist eindeutig die Ware selbst der Hauptakteur. Umso wichtiger sei jedoch, ein gutes Sortiment zu haben und es auch zu kennen. „Ich lese viele Bücher und empfehle sie. Und die meisten kann ich innerhalb eines Tags bestellen. Es gibt für jeden ein Buch.“

Die Inhaberin, Nina Oechsli, bezeichnet sich als Einzelkämpferin. Sie hat weder Angestellte noch bildet sie Lehrlinge aus, absolvierte jedoch selbst eine Ausbildung in ihrer Heimat, bei einer großen Buchhandlung in Zürich, der sie heute noch Rosen streut. Gelernt habe sie dort zum Beispiel Sortimentgestaltung, aber auch Konsequenz, um für etwas einzustehen, das einem wichtig ist. „Und da ich schüchtern war, war es auch wichtig zu lernen, wie man etwas empfiehlt; aber auch Kunden einfach zuzuhören.“

Kontakt mit Kunden essenziell

Der Kundenkontakt ist auch in einem der traditionsreichsten Geschäfte Wiens, der vor über 200 Jahren gegründeten Buchhandlung Leo im ersten Bezirk, das Um und Auf. Man müsse sich bewusst sein, in einem Dienstleistungsberuf zu arbeiten, sagt Susanne Remmer, die den Betrieb zusammen mit ihrer Schwester Ulla führt. „Das bedeutet, mit Menschen umzugehen, höflich zu sein, zu beraten.“ In dem Familienunternehmen wird regelmäßig auch ein Lehrling ausgebildet. Es gibt laut Remmer allerdings etwas weniger Anwärter als früher. Für manche sei ein Bürojob attraktiver, weil dort der Arbeitstag nicht bis 18.30 Uhr dauere und der Samstag frei sei.

Das Interesse der Jugendlichen am Lehrberuf Buch- und Medienwirtschaft ist laut Friedrich Hinterschweiger, Obmann des Fachverbands Buch- und Medienwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich, zwar durchaus stabil. „Aber wir haben generell eine geringere Zahl an Jugendlichen, die einen Lehrberuf ergreifen wollen. Der Weg einer Oberstufenschule ist sehr populär geworden. Sinnerfassendes Lesen ist leider auch eine nachlassende Fähigkeit geworden. Das ist für diesen Beruf absolut notwendig.“

Auch körperliche Arbeit

Auch die Schwestern Remmer setzen bei ihren Lehrlingen eine gute Ausdrucksfähigkeit, solide Rechtschreibkenntnisse und natürlich eine gewisse Leseleidenschaft voraus. Jenseits der Liebe zum Buch und der guten Allgemeinbildung brauche es aber auch handfestere Qualitäten. „Natürlich ist dieser Beruf sehr abwechslungsreich, und es wird einem nie langweilig“, sagt Susanne Remmer. Entgegen der Vorstellung, man komme als Buchhändler tagsüber immer wieder zum Lesen, gehe es oft auch darum, schlicht anzupacken. „Buchhandel ist tatsächlich körperlich anstrengend. Man muss Lieferungen entgegennehmen, viel auspacken, Kisten schleppen.“ Insgesamt seien gut sortierte Buchregale mit viel Vorarbeit verbunden. Dazu komme das Management von Bestellungen und Mahnungen und der Umgang mit Kassensystemen.

Neue Lehrberufe

Wer eine formelle Ausbildung sucht, hat heute die Wahl zwischen drei jeweils dreijährigen Lehrberufen: „Buch- und Medienwirtschaft – Buch- und Musikalienhandel“, „Buch- und Medienwirtschaft – Buch- und Pressegroßhandel“ sowie „Buch- und Medienwirtschaft – Verlag“. Die beiden Letztgenannten seien zwar nicht voll flächendeckend ausgerollt, sagt Fachverbandsgeschäftsführer Karl Herzberger. „Aber viele Betriebe machen damit gute Erfahrungen.“ Der Lehrberuf „Buch- und Pressegroßhandel“ wurde geschaffen, um den fachspezifischen Anforderungen dieser Branche Rechnung zu tragen, der zuvor durch die allgemeine Ausbildung als Großhandelskaufmann/-frau abgedeckt wurde. Im Lehrberuf „Verlag“ lernen Auszubildende, Absatzwege für Verlagsprodukte zu ermitteln, die Verkaufspreise zu kalkulieren und sie zu präsentieren, aber auch Verträge mit Autoren und Lizenzverträge vorzubereiten.

Quereinsteiger ebenso gefragt

Auch Quereinsteiger hätten im Buchhandel gute Chancen, sind sich alle Gesprächspartner einig. „Seit Jahrzehnten gibt es eine Vielzahl von Studienabbrechern oder sogar Absolventen von Studien, die diesen Lehrberuf gern wählen“, sagt Hinterschweiger.

Die Berufsbezeichnung „Buchhändler/-in“ ist nicht geschützt, weshalb eine Ausbildung keine Pflicht ist. „Jeder kann prinzipiell in einer Buchhandlung zu arbeiten anfangen, wenn er oder sie eingestellt wird. Das gibt es immer wieder, und man kann den Beruf sicherlich mit genügend Praxis und guter Anleitung auch ohne Lehre erlernen“, sagt Susanne Remmer. Allerdings gebe es, falls der Kollektivvertrag als Grundlage für das Gehalt herangezogen werde, Unterschiede bei der Einstufung. „Für einen Buchhändler mit Lehrabschlussprüfung gilt ein etwas höherer Kollektivvertrag als für den allgemeinen Einzelhandel.“

Auch für die Selbstständigkeit sei der Lehrabschluss (im Gegensatz zu früher) keine Voraussetzung mehr. „Jeder, der eine Einzelhandel-Gewerbeberechtigung hat, kann auch Bücher verkaufen.“

Mediakolleg für Weiterbildung

Mitarbeiter und teilweise Praktikanten aus allen Bereichen der Branche können zudem von den Weiterbildungen des Mediakollegs profitieren, das der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels gemeinsam mit dem Mediacampus Frankfurt anbietet. Durch die Kooperation mit Frankfurt können etliche Seminare auch online angeboten werden. Auf besonders viel Interesse stoßen laut Mediakolleg-Mitarbeiterin Julia Stumvoll etwa das Seminar „Grundwissen Verlag“, aber auch Fortbildungen zur Nutzung sozialer Medien.

Letztere seien auch für Buchhandlungen ein wichtiges Thema, um den Kontakt zu jüngeren Kunden zu pflegen, sagt Susanne Remmer. Dabei könne man als Inhaber durchaus von der jüngeren Generation lernen. „Auch wenn man eine ansprechende Webseite aufbauen oder einen Bücherblog einrichten will, ist es ein Vorteil, wenn man junge Leute hat, die man einbinden kann.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2022)

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