Gemeinsame Trauer

Jean-Louis Trintignant: Ein großer, stiller Schauspieler

Jean-Louis Trintignant 1969 in Bertoluccis Le Conformiste ("Der Große Irrtum")
Jean-Louis Trintignant 1969 in Bertoluccis Le Conformiste ("Der Große Irrtum")Impress / United Archives / pict
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Seine Schüchternheit verlieh seinem Spiel etwas Undurchdringliches, Trauriges, oft Gefährliches: Jean-Louis Trintignant, der im Alter auch zwei Filme Michael Hanekes geprägt hat, ist im Alter von 91 Jahren gestorben.

Einen französischen Paul Newman hat man den französischen Schauspieler Jean-Louis Trintignant gern genannt. Ein oberflächlicher Vergleich. Tatsächlich erinnerte Trintignant in seinem zurückhaltenden Wesen, der schlanken Figur und dem schmalen Gesicht mit den feinen Zügen ein wenig an diesen amerikanischen Schauspieler. Doch anders als bei diesem lag in seiner Schüchternheit, die auch den unverwechselbaren Charme seines bubenhaften Lächelns ausmachte, etwas Undurchdringliches, Trauriges, oft Gefährliches. Einmal verglich ein Kritiker sein Spiel in einem Film mit dem Verhalten eines samtpfötigen, geschmeidigen Jaguars, der ganz leise ist und doch in jedem Moment sprungbereit. In Liebesfilmen wie „Ein Mann und eine Frau“ gewannen seine Figuren ihre Anziehungskraft oft durch einen Fonds an stiller Traurigkeit.

Als Filmschauspieler stand Jean-Louis Trintignant Kollegen wie Alain Delon oder Jean-Paul Belmondo nicht nach. Seine Eigenart als Schauspieler war stark von seiner außerordentlichen Schüchternheit im realen Leben geprägt. Die Theaterbühne und die Leinwand bekamen bei dem jungen Mann so gesehen eine geradezu therapeutische Bedeutung. Er tat sich schwer, als er plötzlich durch den 1956 mit Brigitte Bardot gedrehten Film „Et Dieu . . . créa la femme“ (deutscher Titel: „Und immer lockt das Weib“) (1956) – der auch zu einer kurzen amour folle zwischen ihnen führte – ins mediale Rampenlicht geriet. Der Film machte ihn freilich bekannt.

Rückkehr auf die Leinwand mit Haneke

Später wies er Filme so berühmter ausländischer Regisseure wie Fellini, Coppola oder Spielberg ab: Warum im Ausland drehen, sagte er, wenn er in guten französischen Filmen spielen konnte. Für seine Darstellung des hartnäckigen gegen die Interessen des Staates ermittelnden Untersuchungsrichters im Politthriller „Z“ von Constantin Costa-Gavras wurde er immerhin 1969 in Cannes als bester Schauspieler ausgezeichnet. Eine ganz gegensätzliche Rolle spielte er ein Jahr darauf in Bertoluccis „Il conformista“: einen Beamten, der sich im faschistischen Italien der Geheimpolizei anschließt.

Jahrzehntelang gingen Freude und Überdruss am Kino bei ihm immer wieder Hand in Hand, plante er den Rückzug aus dem Kino. 2003 kam es tatsächlich dazu, nachdem seine Tochter Marie bei einem Beziehungsstreit durch die Hand ihres Partners ums Leben gekommen war. Fast zehn Jahre lang war Trintignant dann in keinem Film zu sehen – der Regisseur, der ihn dann doch noch zurück auf die Leinwand lockte, war der von ihm bewunderte Österreicher Michael Haneke: in „Amour“ – Trintignant wertete die Rolle als alter Mann, der seine demente Frau pflegt, als eine der wichtigsten in seinem Leben. Fünf Jahre später spielte er noch einmal für Haneke: in „Happy End“, als alternder Patriarch, der seinen Lebenswillen verloren hat.

Gemeinsame Trauer

Seine romantische Paraderolle freilich hatte Trintignant Jahrzehnte davor in Claude Lelouchs „Ein Mann und eine Frau“. In diesem Film von 1966 spielte er einen verwitweten Rennfahrer, dessen Begegnung mit einer jungen Witwe und Mutter zu einer langsamen, von beidseitiger Trauer überschatteten Annäherung und einem gemeinsamen Neuanfang führt. Trotz der vielen, durch die kargen Mittel bedingten Schwierigkeiten lag über dieser Nouvelle-Vague-Arbeit, wie Trintignant sich später erinnerte, ein besonderer Zauber – er vermittelt sich dem Publikum heute noch.

2019 spielte er in „Les plus belles années de ma vie“ – der Fortsetzung dieses Klassikers. Man sah einen alten, motorisch äußerst beeinträchtigten und von der Erinnerung verlassenen Mann im Pflegeheim, in einer Begegnung mit seiner einstigen Liebe, wieder gespielt von Anouk Aimée. Und man sah, wie viel Ausdruck noch in den größten Einschränkungen, in fast völliger Unbeweglichkeit möglich ist – einem so großen, stillen Schauspieler wie Jean-Louis Trintignant.

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Archivbild aus dem Jahr 2017 von Jean-Louis Trintignant.
Nachruf

Filmlegende Jean-Louis Trintignant im Alter von 91 Jahren verstorben

Trintignant hat über 150 Kino- und Fernsehfilme gedreht, auch nach seinem Neunziger stand er noch vor der Kamera und auf der Bühne. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen neben "Ein Mann und eine Frau" der Skandalfilm "Und immer lockt das Weib".

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