EZB: Der Poker um die Postenbesetzungen geht los

Poker Postenbesetzungen geht
Poker Postenbesetzungen geht(c) REUTERS (ALESSANDRO BIANCHI)
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Der Präsident der deutschen Bundesbank Axel Weber zählt neben dem Italiener Mario Draghi somit zu den aussichtsreichsten Kandidaten. Als Erste scheidet die Österreicherin Tumpel-Gugerell aus.

Wien. Seit 2003 ist die Österreicherin Gertrude Tumpel-Gugerell Mitglied des höchsten Gremiums der Europäischen Zentralbank (EZB) – ihres Direktoriums. Ende Mai des nächsten Jahres läuft ihre Amtszeit aus, mit ihrem Ausscheiden beginnt der Kampf um die höchsten Posten der Zentralbank: Im Lauf des nächsten Jahres wird auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nach seiner achtjährigen Amtszeit abtreten – eine Wiederwahl ist nicht möglich. Nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ ist Deutschland für eine „Paketlösung“. Die Nachfolger für Trichet und Tumpel-Gugerell sollen gleichzeitig bestellt werden. Dadurch soll es einfacher werden, die Postenwünsche der verschiedenen EU-Länder unter einen Hut zu bringen.

Deutsche wollen EZB-Chefposten

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte schon Ende 2009 Anspruch auf den EZB-Chefposten angemeldet. Der Präsident der deutschen Bundesbank Axel Weber zählt neben dem Italiener Mario Draghi somit zu den aussichtsreichsten Kandidaten. Französischen Medienberichten zufolge sträubt sich die Pariser Regierung gegen Weber als EZB-Präsidenten – offiziell wollen Paris und Berlin über das Thema aber noch gar nicht gesprochen haben. Allerdings dürften die Franzosen Weber akzeptieren, wenn sie im Gegenzug die Stelle des Chefvolkswirtes erhalten. Ein realistischer Wunsch, stellt diesen mit Jürgen Stark doch seit 2006 Deutschland. Und da das Präsidium aus nur sechs Posten besteht, müsste Stark bei einer Bestellung von Weber seinen Posten räumen.

Das EZB-Direktorium besteht aus dem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern, darunter der Chefvolkswirt. Neben Tumpel-Gugerell und dem Franzosen Trichet sind noch ein Portugiese, ein Spanier, ein Italiener und eben Stark im Direktorium vertreten. Über die Nachfolge von Tumpel-Gugerell stimmen die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder Ende März nächsten Jahres ab. Jean-Claude Juncker, der Chef der Eurogruppe, forderte, dass die Mitgliedstaaten schon bis zum nächsten Finanzministergipfel im Jänner ihre Kandidaten nominieren.

EZB: Draghi fürchtet um Unabhängigkeit

Die beiden Kandidaten für den EZB-Präsidenten üben bereits für ihre angepeilte Position: Mit öffentlichen Worten zur aktuellen Währungspolitik in der EU. Weber hatte bereits Mitte November mit heftiger Kritik an der Politik der EZB aufhorchen lassen, unter anderem an der lockeren Geldpolitik und den niedrigen Zinsen. Draghi stellte sich im Gespräch mit der „Financial Times“ nun auf Webers Seite. Durch den Ankauf von Staatsanleihen würden die Reputation und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank in Gefahr gebracht. Wertpapierkäufe in großem Umfang könnten politische Einmischung provozieren, außerdem würden sie gegen EU-Verträge verstoßen.

Seit Beginn des Ankaufprogramms im Mai wurden 69 Milliarden Euro ausgegeben, um die Risikoprämien der angeschlagenen PIIGS-Staaten (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien) zu drücken. Laut Draghi sei es aber hauptsächlich Aufgabe der nationalen Regierungen, die Krise zu bekämpfen, und zwar durch haushaltspolitische Maßnahmen und strukturelle Reformen. Diese würden das Wachstum ankurbeln und das Vertrauen der Finanzmärkte wiederherstellen.

Merkel und Sarkozy gegen Euroanleihen

Die Europäische Union ist über den Weg aus der Schuldenkrise derzeit gespalten. Neben der Uneinigkeit über die Rolle der EZB und darüber, ob diese weiter Staatsanleihen aufkaufen und somit die Geldmenge weiter erhöhen soll, wird über gemeinsame Euroanleihen und die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms – des Rettungstopfes für die finanziell angeschlagenen Länder der Eurozone – diskutiert. Die von Jean-Claude Juncker ins Spiel gebrachten gemeinsamen Anleihen stoßen vor allem in Deutschland auf Widerstand.

Dort fürchtet man sich vor einer Verteuerung der eigenen Finanzierung, wenn man das Risiko der gesamten Eurozone mittragen muss. Euroanleihen würden einen undurchsichtigen Transfer finanzieller Risiken verursachen. Laut Kanzlerin Angela Merkel widersprechen gemeinsame Anleihen bestehenden Verträgen der Europäischen Union.

Schützenhilfe bekommt sie nun vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy: Er erteilte den gemeinsamen Schuldscheinen eine Absage. Der Vorschlag werfe Schwierigkeiten auf, vor allem im Hinblick auf die Aufteilung von Kosten und Gewinnen. Gleichzeitig sprach sich Frankreich gegen eine Ausweitung des derzeit mit 750 Milliarden Euro dotierten Euro-Rettungsschirmes aus. Sarkozy und Merkel wollen zudem die Steuersysteme ihrer Länder angleichen, um die Eurozone zu stärken (siehe auch Seite sieben).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2010)

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