Kulturelle Aneignung

Rassismus-Diskussion um Winnetou: Übt Ravensburger Selbstzensur?

Winnetou und Tom Silver in einer Szene des Films „Der junge Häuptling Winnetou“.
Winnetou und Tom Silver in einer Szene des Films „Der junge Häuptling Winnetou“.(c) Constantin Film
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Um einen lose auf Karl May aufbauenden Kinderfilm entbrannte eine heftige Diskussion. Die Bücher zum Film werden nicht mehr geliefert, nun kommt der Vorwurf der "verlegerischen Selbstzensur“.

Dieser Tage kann man Ravensburger nicht beneiden: Von allen Seiten hagelt es Vorwürfe auf den Verlag, und zwar wegen seines Umgangs mit einer seit langem bekannten Figur: Winnetou. Da ist die Rede von Rassismus auf der einen Seite und der Vorwurf der Zensur auf der anderen. Wie kam es dazu, dass der Kinderbuchverlag sich derart ins Eck manövrierte?

Am 11. August startete ein deutscher Kinderfilm in den Kinos, der einen Helden früherer Zeiten aus der Mottenkiste holte. „Der junge Häuptling Winnetou“ baut lose auf Karl Mays Vorlagen auf und erzählt von der Freundschaft zweier Buben, nämlich dem kleinen Pferdedieb Tom Silver und dem jungen Titelhelden. Und zwar so, wie man das früher gemacht hätte: Die Apachen handeln und sprechen, wie die Leser jener dunkelgrün gebundenen Bücher, die sicher noch auf vielen Dachböden lagern, das vor 50 Jahren von ihnen erwartet hätten.

Indigene als „Phantasiefiguren“

Es war vielleicht erwartbar: Von den Feuilletons eher unbeachtet, keimte im Internet Kritik am Film auf. Dass darin abgenutzte Klischees wieder aufgewärmt würden, war die freundliche Variante. Vielfach wurden den Machern rassistisches und kolonialistisches Gedankengut unterstellt. Man würde indigene Figuren nach deutschen Erwartungen auf Format schnitzen. Tyrone White, ein in Deutschland lebender Lakota, erklärte im Deutschlandfunk, die stereotype Darstellung von „edlen Wilden“ führe dazu, dass Indigene oft als „Phantasiefiguren“ betrachtet würden. Sein Urteil über den Film (anhand des Trailers): „Es ist rassistisch, was sie da machen“. Die FAZ meinte, es sei „vielleicht kein böser Rassismus.“ Aber dennoch „provinziell, ignorant und arrogant“ gegenüber der Geschichte und Realität der indigenen Amerikaner.

Weil bei Ravensburger – als Begleitung zum Film – zwei Kinderbücher erschienen waren, bekam der Verlag einige unfreundliche Post. Auch intern gab es wohl kritische Stimmen, denn die Auslieferung der Bücher wurde Mitte August rasch gestoppt. Diese Entscheidung wiederum sorgt für heftige Kritik von anderer Seite – und wurde abermals zuerst im Netz laut. Hunderte Instagram-Nutzer zeigen ihr Unverständnis und bezichtigten die Firma der Zensur oder des Einknickens vor Kritik. Man gebe offenbar vor einer kleinen, aber umso lauteren Minderheit Hypersensibler auf.

Auch die Interessengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren argumentierte am Dienstag, dass ein solcher Rückzug wie der des Verlags die Medien- und Kunstfreiheit „auf eine skandalöse Weise“ entwertet. „Verlegt und verbreitet wird, was den sozialen Netzwerken gefällt“, so die IG. „Die Kritik kann gar nicht genug konstruiert sein, dass sich nicht sofort eine selbstbezichtigende Betroffenheitspose findet, die in der Selbstzensur endet.“

Nun mag man fragen: Was genau war eigentlich die Begründung von Ravensburger, den Verkauf der Bücher zu stoppen? Das Feedback habe gezeigt, „dass wir mit den Winnetou-Titeln die Gefühle anderer verletzt haben“, lautete ein erstes Statement des Verlags. Mit dem Zusatz, dass man sich „intensiv mit Themen wie Diversität oder kultureller Aneignung“ beschäftige – und auch „externe Fachberater“ zu Rate ziehe. Das neueste Kapitel in der Diskussion um die Frage der kulturellen Aneignung zeigt jedenfalls Eins: Es dürfte uns noch eine Weile begleiten. Dass deshalb Karl May wieder aus dem Dachboden geholt wird, darf man aber bezweifeln. So spannend ist er nicht.

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