Kosovo

Im ersten europäischen Staat gehen die Lichter aus

High-voltage power lines are pictured near the town of Obiliq
High-voltage power lines are pictured near the town of ObiliqREUTERS
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Der Kosovo kann seinen Energiebedarf nicht mehr decken und schaltet deshalb drei Mal pro Tag den Strom für zwei Stunden aus.

Ein Problem kommt auch im Kosovo selten allein. Unablässiges Knacken und Rauschen in der Leitung erschwert während der Strompausen auch die mobile Kommunikation. Nein, die überholungsbedürftigen Kraftwerksblöcke seien noch nicht am Netz, berichtet am Telefon der zweifache Familienvater Luan in Prishtina. Ja, der Strom werde weiterhin alle sechs Stunden abgestellt: „Ich fürchte, die Lage wird noch schlechter werden. Denn der russische Krieg in der Ukraine wird noch lang dauern.“

In einem der ärmsten Staaten Europas gehen die Lichter bereits im Sommer aus: Weil Kosovo seinen Strombedarf nicht mehr mit seinen altersschwachen Braunkohlewerken und kostspieligem Importstrom abdecken kann, hat der 1,8 Millionen Einwohner zählende, seit 2008 unabhängige Staat seit Mitte August den Strom rationiert. Nur die Krankenhäuser und einige wenige Industriebetriebe bleiben durchgängig am Netz. Allen anderen wird der Strom drei Mal pro Tag für zwei Stunden abgestellt.

Notstromaggregate brummen

Wieder brummen vor den Cafés und Kneipen in Prishtina stundenlang die Notstromaggregate. Regelmäßige Stromausfälle sind die leidgeprüften Bewohner des Balkanstaats wegen des miserablen Zustands der Braunkohlekraftwerke zwar schon seit Ende des Kosovo-Kriegs 1999 gewöhnt. Doch die Folgen des Ukraine-Kriegs und die Energiekrise haben die Versorgungsprobleme noch verschärft.

Schlechtes Krisenmanagement und fehlende Energiekonzepte werfen die Oppositionsparteien der zunehmend unter Druck geratenen Regierung von Premier Albin Kurti vor. Die verfehlte, einseitig auf Braunkohle setzende Energiepolitik, jahrelang ausgebliebene Investitionen und Versäumnisse der Vorgängerregierungen sowie die in astronomische Höhen geschnellten Strompreise macht indes Prishtina für die Misere verantwortlich.

Mit stark erhöhten Strompreisen und Sparappellen hoffen sich auch andere Westbalkanstaaten durch den bevorstehenden Krisenwinter zu wursteln. Doch im bitterarmen EU-Wartesaal sind nicht nur die Haushaltskassen knapp, sondern auch die Geduld über das Ausbleiben der gelobten Angleichung an die Lebensverhältnisse im Westen erschöpft. Sollten die Strom-, Heiz-, Pellet- und Holzpreise noch weiter steigen, dürften noch mehr Regierungen auf dem Westbalkan durch Proteste unter Druck – und ins Wanken geraten.

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