Militär

Ukraine will Atomstrom nach Deutschland liefern und bittet um Waffennachschub

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (li.) mit dem ukrainischen Premier Denys Schmyhal in Berlin.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (li.) mit dem ukrainischen Premier Denys Schmyhal in Berlin.APA/AFP/JENS SCHLUETER
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Kiew erwartet sich eine führende Rolle Berlins bei Luftabwehr, sagte Premier Schmyhal bei seinem Besuch in der deutschen Hauptstadt. Und er bietet an, Atomstrom nach Deutschland zu liefern.

Die Ukraine will Deutschland mit der Lieferung von Atomstrom auf dem Weg aus der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen unterstützen. "Derzeit exportiert die Ukraine ihren Strom nach Moldau, Rumänien, in die Slowakei und nach Polen. Aber wir sind durchaus bereit, unsere Exporte auf Deutschland zu erweitern", sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal der Deutschen Presse-Agentur.

"Wir haben eine ausreichende Menge an Strom in der Ukraine dank unserer Kernkraftwerke. Bei meinem Besuch in Berlin und dann auch in Brüssel werde ich das ansprechen", so Schmyhal. Er wurde am Sonntag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit militärischen Ehren vor dem Kanzleramt empfangen und traf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. Er war der höchstrangige ukrainische Besucher in Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor gut einem halben Jahr.

Eine gemeinsame Pressekonferenz von Scholz und Schmyhal wurde schon am Samstag mit dem Hinweis auf Terminschwierigkeiten von deutscher Seite abgesagt. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte Scholz in dem Gespräch, dass Deutschland nicht nachlassen werde, die Ukraine militärisch, aber auch politisch, finanziell und humanitär zu unterstützen. Trotz des anhaltenden Kriegs gelte es, den Wiederaufbau zu planen.

Schmyhal reist weiter nach Brüssel

Am Montag reist Schmyhal weiter nach Brüssel. Auch dort will er eine Ausweitung der ukrainischen Strom-Exporte thematisieren. Parallel zum russischen Einmarsch Ende Februar hatte die Ukraine sich zusammen mit dem Nachbarland Moldau vom ehemals sowjetischen Stromnetz abgekoppelt. Mitte März erfolgte die Synchronisierung mit dem europäischen Netzwerk.

Seitdem exportiert das Land täglich zwischen 400 und 700 Megawattstunden Strom in die Europäische Union und nach Moldau. Schmyhal will die Exportquoten für die EU nun um ein Vielfaches erhöhen. "Das wäre für beide Seiten sehr gut. Die EU bekäme mehr Energie und wir (bekämen) die Devisen, die wir dringend benötigen", sagte der Ministerpräsident.

Die Ukraine ist eines der am stärksten von Atomenergie abhängigen Länder der Welt, ihr Anteil an der Stromproduktion beträgt nach Angaben des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung mehr als 50 Prozent. Derzeit befinden sich in der Ukraine vier Atomkraftwerke in Betrieb, darunter Europas größtes Atomkraftwerk in Saporischschja. Sechs Blöcke in Enerhodar in Saporischschja befinden sich allerdings seit März unter russischer Kontrolle. Die internationale Gemeinschaft ist in großer Sorge, dass Kriegshandlungen in der Nähe zu einem Atomunfall führen könnten.

Mit dem russischen Einmarsch ist aufgrund der Kämpfe, der Fluchtbewegung und des Wirtschaftseinbruchs auch der Stromverbrauch in der Ukraine massiv zurückgegangen. Damit wurden Kapazitäten für den Export frei.

Bitte um weitere Waffenlieferungen

Bei dem Treffen von Scholz und Schmyhal dürfte es neben einer Zusammenarbeit im Energiebereich vor allem um die deutsche Unterstützung für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland gehen. In dem dpa-Interview forderte Schmyhal von Deutschland "einen Wandel in der Philosophie der Waffenlieferungen" und sagte auch ganz konkret, was er damit meint: "Es sollten auch moderne Kampfpanzer geliefert werden." Aus Deutschland wünscht er sich Leopard 2 und aus den USA Abrams-Panzer. "Das sind die modernen Panzer, die die Ukraine auf dem Schlachtfeld braucht."

Schmyhal fordert von der Bundesregierung auch mehr Luftabwehrsysteme sowie weitere finanzielle Hilfe, neue Sanktionen gegen Russland und eine Einstufung russischer Kriegsverbrechen als Völkermord.

Neuer Botschafter in Berlin bekannt gegeben

Unmittelbar vor seinem Besuch wurde eine Personalentscheidung bekannt, über die schon seit längerem spekuliert wurde. Die Ukraine benannte offiziell den Nachfolger des derzeitigen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk. Olexij Makejew, der derzeitige Sanktionsbeauftragte der Regierung in Kiew soll den Posten übernehmen.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe auf Ersuchen der ukrainischen Regierung bereits seine Zustimmung erteilt, teilte das Auswärtige Amt auf Anfrage mit. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hatte den amtierenden Botschafter Melnyk Mitte Juli von seinem Posten abberufen. Geplant ist, dass Melnyk am 14. Oktober Deutschland verlässt und einen Posten im ukrainischen Außenministerium annimmt. Melnyk hatte sich nicht erst seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mit oft harter Kritik an der deutschen Bundesregierung einen Namen gemacht.

(Ag.)

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