Gastronomie

Lokal mit Wirtshauskind

Die Presse/Clemens Fabry
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Marlies Mayer und Lukas Reiter haben ihr Restaurant Familie Reiter vor Kurzem in Hietzing eröffnet. Der Lokalname ist dabei Programm.

Das Restaurant Familie Reiter liegt in einem ruhigen Innenhof an der Lainzer Straße in Hietzing. Durch einen kleinen Schanigarten mit einer schmucken Pergola gelangt man in den Gastraum. Sofort fällt auf, dass kein Tisch und kein Sessel zusammenpasst. Das gesamte Mobiliar wirkt zusammengewürfelt.

Etwa ein Resopaltisch aus den Siebzigern, den das junge Paar, Marlies Mayer und Lukas Reiter, bei einer Restaurantauflösung ergattert hat. Oder ein Bildhauertisch, auf dem Reiters Onkel seine ersten Skulpturen kreiert hat. Ein Biedermeier-Schreibtisch und ein Marmortisch. Zu dem wilden Stilmix – das meiste stammt aus den Sechzigerjahren – ertönt passend „Sugar Sugar“ von The Archies aus den Lautsprechern.

„Ich sage ganz ehrlich: Wir hätten uns wahrscheinlich für einen anderen Stil entschieden, wenn wir erstens Zeit gehabt hätten – wir haben ein Baby und daher wenig Schlaf –, und zweitens, wenn's in Österreich jetzt gerade keine Lieferschwierigkeiten gäbe“, sagt die 37-jährige Marlies Mayer.

Außerdem habe ihnen der Vorgänger relativ viele seiner Möbel übergeben. Davon wurde in den Monaten vor der Eröffnung einiges entfernt, anderes dafür dazugenommen. „Wir haben dem Lokal einen Charakter verliehen, indem wir unseren Stil mit reingebracht haben“, so Mayer.

Ein langersehnter Wunsch

Aus der Küche krabbelt gerade Mayers und Reiters gemeinsamer Sohn, Anton, der acht Monate alt ist. Er quietscht vor Freude, als ihn sein Vater auf den Arm nimmt. „Er ist unser kleines, blades Wirtshauskind“, scherzt der 34-Jährige (wobei sich Antons Babyspeck in Grenzen hält).

Auf der Bar steht auf einer kleinen schwarzen Kreidetafel das heutige Mittagsmenü geschrieben: gelbe Paprikasuppe (4,50 Euro), lauwarme Speck-Lauch-Quiche mit Salat (9,50 Euro), Hühnerbrust auf violettem Spargel-Brokkoli (13,50 Euro) und als Dessert ein Zwetschken-Schoko-Blechkuchen (4,40 Euro). „Jede Woche kommt etwas Neues, alles saisonal und regional“, sagt Reiter, der in der Wiener Gastronomie kein Unbekannter ist und zuletzt auch Küchenchef im Heu & Gabel auf dem Meidlinger Markt war.
Mit dem eigenen Lokal hat sich Reiter einen langersehnten Wunsch erfüllt. „Es war mein oberstes Ziel, dass ich mich irgendwann selbstständig mache und für mich mein eigenes Lokal erschaffe, wo ich mich verwirklichen kann, wo ich unter keinen Rahmenbedingungen mehr kochen muss, sondern mich einfach ausleben kann“, so der 34-jährige gebürtige Deutsche.

Mit 18 ist Reiter nach Wien gekommen und hat seither mit Köchen wie Toni Mörwald, Bernie Rieder und Reinhard Gerer zusammengearbeitet. Ob selbstständig werden in jetzigen Zeiten nicht ein denkbar schlechter Zeitpunkt ist? „Jein, ein Restaurant zu gründen ist immer schwierig“, sagt Reiter. Die Zeit zwischen Corona, Klimawandel und Strompreiserhöhung sei natürlich nicht einfach, „aber ich kann mich nicht beklagen bis jetzt. Ich habe großartige Stammgäste, die uns wertschätzen“, so der Gastronom. Während also Reiter kocht, schupft Mayer alles Drumherum. Familie Reiter ist aber eigentlich ein Frühstückslokal, wie der Speisekarte zu entnehmen ist. Die Frühstücks- und Getränkekarte ist in etliche Rubriken gegliedert, die alle mit einem Zitat von Reiters Familienangehörigen beginnen. Auch Anton hat schon eine Rubrik gewonnen. Bei den Warmgetränken steht geschrieben: „Kaffee für die Mama, Milch für mich! – denkt Anton.“ Bei der Entstehung des Lokals sind, wie der Name schon vermuten lässt, alle Familienmitglieder Teil dieses gastronomischen Projekts gewesen.

Hinter der Bar steht an diesem Tag Mayers Neffe, denn es kellnern nur Familienmitglieder: Marlies Neffe und Nichte, die Cousine ihres Neffen, die Freundin ihres Neffen und so weiter und so fort. Am Anfang hat Marlies Mayer mit Anton in der Trage gekellnert. „Sie war schwanger, als wir das Lokal gefunden haben“, so Reiter, und auch der Umbau habe während der Schwangerschaft stattgefunden, die 37-Jährige war immer mit dabei. „Und dazwischen kam dann der kleine Mann auf die Welt.“ Dass Anton immer mit dabei ist, sei zwar herausfordernd, aber Mayer findet: „Dafür konnte er seit seiner Geburt jeden Tag mit Mama und Papa zusammen sein.“

Auf einen Blick

Das Lokal Familie Reiter (13., Lainzer Straße 131 im Innenhof) ist Mi. bis So. von acht bis 16 Uhr geöffnet, Mo. und Di. sind Ruhetage. Frühstück gibt es den ganzen Tag, dazu wöchentlich wechselnde Mittagsteller. Für Firmen- oder Geburtstagsfeiern kann das Lokal auch außerhalb der Öffnungszeiten gemietet werden.

Web: www.familiereiter.org

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