Alena Mornštajnová..
Buch der Woche

Was geschah vor der Samtenen Revolution?

Der Roman „Es geschah im November“ handelt nicht nur von der tschechischen Heimat Alena Mornštajnovás, sondern auch von autoritären Regimen, die uns alle bedrohen und jeden erfassen können.

Gleich am Anfang, und am Ende wieder, geschwärzte Seiten. Hat da die Zensur gewütet? Ein Kunstgriff, der auf ein Genre hinweist, noch ehe ein einziges Wort gesagt wurde. Nun ja, außer einer Vorbemerkung. Das Buch, heißt es da, handelt von einer der Millionen Möglichkeiten, was passiert wäre, wenn die Ereignisse im November 1989 anders ausgegangen wären. November 1989? Einem Leser hierzulande mag sich damit nicht unbedingt etwas verbinden. Wenn man bedenkt, dass die Autorin Tschechin ist, weiß man, was das Datum bedeutet: die sogenannte Samtene Revolution.

Was wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte? Was wäre, wenn Napoleon Wellington bei Waterloo besiegt hätte? Solche „Was-wäre-wenn“-Spekulationen haben immer etwas Unbefriedigendes. Es war ja nicht. Die Fantasie hat etwas Beliebiges. Sie unterliegt gegen das Faktische. Wenn aber, was nicht geschehen ist, aber hätte geschehen können, gut ausgedacht ist, wenn es zu Literatur gerinnt, kann solch eine Uchronie, auch kontrafaktische Geschichte, eine Verwandte von Utopie und Dystopie, durchaus reizvoll und auch politisch lehrreich sein.

Alena Mornštajnovás Roman heißt in der Übersetzung von Raija Hauck „Es geschah im November“. Der Originaltitel lautet spartanisch „November“ und lässt somit offen, ob, was da erzählt wird, geschah oder eben nicht geschah.

Alena Mornštajnová erzählt lebhaft, temporeich, mit zahlreichen atmosphärischen Details und einer bewegten Syntax, die auch in der Übersetzung erhalten bleibt, aus der Perspektive von „Marie, genannt Maja“. Sie kennt die Techniken der Verzögerung und der Spannungserzeugung. Die Übertragung von Raija Hauck verdient Lob. Sie liest sich wie ein Original, mit bloß wenigen Ausrutschern.

Schon im zweiten Kapitel kommt die reale Politik der Achtzigerjahre nur wenig verfremdet ins Spiel. In Anlehnung an Ludvík Vaculíks „Manifest der 2000 Worte“ von 1968 erfindet Mornštajnová das Manifest „Einige Sätze“. In diesem Zusammenhang begegnet Maja im mährischen Valašské Meziříčí, wo ihre Autorin lebt, erstmals, reichlich spät und über Radio Free Europe, dem Namen Václav Havel (der war damals schließlich nicht nur ein Held des Untergrunds nach der militärischen Niederschlagung des Prager Frühlings, sondern zuvor schon einer der bedeutendsten tschechischen Dramatiker gewesen).

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