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Sagen Sie Elke Heidenreich ja nicht, sie schreibe Sachbücher!

Die Literaturkritikerin empört sich darüber, dass ihre autobiografischen Erzählungen in der falschen Bestsellerliste gelandet seien. Schlimm?

Elke Heidenreich hat ein Buch geschrieben. Beileibe nicht das erste, denn sie ist eine produktive Autorin. Noch mehr Menschen kennen sie freilich als ikonische Literaturkritikerin. Mit hoch emotionalen Auftritten impft sie dem Fernsehpublikum seit Jahrzehnten die Leidenschaft fürs Lesen ein. Niemand schwärmt so hemmungslos subjektiv und suggestiv wie sie, niemand straft so streng mit Ekel und Verachtung, wenn es um Grass oder Heidegger geht. Diesmal richtet sich ihr Furor aber gegen die Macher der „Spiegel“-Bestsellerliste.

Der Grund: Sie haben „Ihr glücklichen Augen“ unter die Sachbücher gereiht. Eine Frechheit, findet Heidenreich, hatte doch ihr Verlag diese autobiografischen Erzählungen als Literatur positioniert. Sie schreibt Protestbriefe, lässt Einsprüche aufsetzen und schweigt fortan das Bücherranking tot. Dabei ist ihr Band gewiss ein Grenzfall: Lebenserinnerungen und Reiseeindrücke, garniert mit privaten Fotos. Uns aber bewegt anderes: Was ist an Sachbüchern so schlimm?

Hätte es im antiken Athen schon Bestsellerlisten gegeben, dann hätte Plato seine Werke zweifellos zur „Non-Fiction“ reklamiert. Die Dichter waren für ihn alle Lügner, die er aus der Polis verbannen wollte. Spätere Schlaumeier insinuierten, Literaten könnten nur Erfundenes schreiben, weil sie keine Ahnung von den Tatsachen hätten: „An gründlicher Gelehrsamkeit mangelt es ihm, wie all den Belletristen“, lässt Goethe eine Figur im „Werther“ lästern. Oft verschwimmen freilich die Grenzen. Wer vom Leben anderer erzählt, unterwirft sich der Sachbuch-Dichotomie von richtig versus falsch. Aber wir verstehen auch Freud, der meinte, dass sich Biografen „zur Verheimlichung, Heuchelei und Schönfärberei“ verpflichten müssten. Noch heikler wird es, wenn Menschen über sich selbst schreiben.

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