Nachruf

Pharoah Sanders, der große Prediger des Jazz, ist tot

PHAROAH SANDERS PERFORMS ON STAGE
PHAROAH SANDERS PERFORMS ON STAGEReuters (Michael Leckel)
  • Drucken

Saxofonist Pharoah Sanders, ein Gründervater des Free Jazz, ist 81-jährig gestorben. Er hinterlässt Meisterwerke wie „Karma“.

Eigentlich hieß er Ferell, doch Sun Ra, der exzentrische Mythomane des Jazz, nannte ihn Pharoah – in verdrehtem Anklang an die Pharaonen Ägyptens: Sun Ra (der selbst eigentlich Herman Blount hieß) suchte im alten Ägypten die Wurzelns seines mythischen Afrikas. Dessen Botschaft er bis ins Weltall verbreiten wollte, und Pharoah Sanders sollte ihm dabei helfen.

Das war 1964 in New York. Der aus Arkansas stammende Tenorsaxofonist Sanders war damals 24 Jahre alt und Teil eines neuen Aufbruchs des Jazz – an die Grenzen der Tonalität und über sie hinaus. So war er 1965 an „Ascension“ beteiligt, dem Album, auf dem John Coltrane den „Free Jazz“, den Ornette Coleman auf seiner so betitelten Platte definiert hatte, weitertrieb. Mit spirituellem Ansinnen, der religiöse Name – Himmelfahrt – war Programm. Das klang nicht fromm, sondern im höchsten Maße ekstatisch.

„The Creator Has A Master Plan"

Pharoah Sanders war dann bis zu dessen frühen Tod 1967 ein ständiger musikalischer Begleiter John Coltranes, schien ihn ästhetisch weiterzutreiben. In Coltranes „Naima“ etwa, wo er nach dessen – schon höchst intensiven Solo – mit einem Ton einsetzte, der die Inbrunst auf die Spitze trieb und darüber hinaus, hinein ins Schaudern, ja: Entsetzen.

„Spiritual Jazz“ nannte man die neue Richtung des Free Jazz bald, und Sanders war ihr Meister. „Karma“ hieß 1969 sein wohl bekanntestes Album, mit dem zwanzigminütigen Stück „The Creator Has A Master Plan“, auf dem Leon Thomas das gleichnamige Gedicht sang und jodelte.

Es folgten Werke mit sprechenden Namen wie „Wisdom Through Music“, „Elevation“, „Love In Us All“ und – in der astronomischen Tradition von Sun Ra – „Voyage To Uranus“. Mit „Africa“ (1967) betonte Sanders die Wurzeln im Ursprungskontinent der Menschheit, doch politisch explizit wurde er im Gegensatz zu seinem Kollegen Archie Shepp nie, im „Presse“-Interview erklärte er das einmal schelmisch: „Wissen Sie, ich war immer so damit beschäftigt, das richtige Mundstück zu finden, da konnte ich mich nie auf diese Veränderungen in der Gesellschaft einlassen . . .“ Dem Andenken an seinen Gefährten und Förderer John Coltrane blieb er treu, spielte live oft die Stücke, die er mit diesem gespielt hatte, „Naima“ etwa und „My Favorite Things“. Was er dieser schlichten Musicalmelodie an Ekstase entlocken konnte, war jedesmal aufs Neue unerhört.

Nach langer Veröffentlichungspause meldete sich Sanders 2021 noch einmal mit dem monumentalen Album „Promises“: Gemeinsam mit dem Elektronikmusiker Floating Points und dem London Philharmonic Orchestra transformierte er den Geist des Spiritual Jazz in andere Klangwelten. Nun ist dieser große Wanderer des Jazz, wie seine Plattenfirma Luaka Bop mitteilt, friedlich im Kreis seiner Familie und Freunde im Alter von 81 Jahren in Los Angeles gestorben.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.