Geschmacksfrage

Getarnter Fisch in der Pescetaria

 Als „Pescetaria“ erwartet uns dann aber Fisch, und zwar in einer verblüffend hohen ­Qualität.
Als „Pescetaria“ erwartet uns dann aber Fisch, und zwar in einer verblüffend hohen ­Qualität.Christine Pichler
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Schon wieder Fisch, diesmal vegetarisch getarnt.

Restaurantkritiker gehören zu den bedeutendsten Zeitgenossen unserer Zeit. Anders wäre die Ernsthaftigkeit kaum erklärbar, mit der sie ihre Tätigkeit ausüben. Nur Journalisten sind noch ­wichtiger. Aber vielleicht ist das alles nur eine Reaktion auf Unbill dieses Jobs, dem mit völlig übertriebenen positiven Vorurteilen begegnet wird. In Wahrheit ist er beinhart  – wenn man tagelang Restaurants verzweifelt sucht, die Neuigkeiten bieten oder neu eröffnet wurden. Die Familie Kattus hat in ihrem jahrhundertealten Stammhaus einen Privatklub mit Restaurant eröffnet. Nur, kann ich eine Küche testen, die gar nicht öffentlich ist? Ist das nicht elitär? Fast antidemokratisch? Und muss man als Kritiker überhaupt Demokrat sein? Diese Frage werde ich im nächsten Philosophicum klären.

Markus Artner ist einer der Gastronomen hinter dem neuen Klub, der dank des natürlichen Höhenniveauunterschieds zwischen „Tiefem Graben“ und „Am Hof“ wie ein mittelalterliches Hochhaus — wenn auch mit elegant-moderner Inneneinrichtung — wirkt, dessen Zimmer ­sonderbarerweise wie die Edelvariante des Hotels Orient ausschauen, was ich eigentlich gar nicht wissen/assoziieren kann. Jedenfalls hat Gastro-Winzer Markus Artner sein altes Restaurant auf der Wieden auf Artners Pescetaria umbenannt, was weder Google noch die Beschilderung des Lokals wissen. Dort heißt es noch immer Flora und weist auf die vegetarische Küche hin, die es auch dort gibt. Als „Pescetaria“ erwartet uns dann aber Fisch, und zwar in einer verblüffend hohen ­Qualität. Ein junger Mann namens Konrad Kamprad zeichnet verantwortlich – und ich bin selten so schnell zu begeistern, etwa von einer wuchtig-rauchigen Fischsuppe mit Aal und dagegen programmierten Auberginen oder einer leicht geflämmten Lachsforelle mit einem Tupfer Eigelb mit wenig Chili und Spinat.

Christine Pichler

Der Pulpo auf Lardo (Immer eine gute Idee!), Zitrone und Joghurt schmeckt mürbe und rund. Hoch die Tentakel! Der Kabeljau mit Shiitake-Pilz und klassischer, dichter Beurre Blanc macht Stimmung auf den Fischwinter. Wirklich einen guten hatte ich auch im Sacher Bistro Grill in Salzburg: Saibling at his best. Und einmal geht es noch nächste Woche. Mit Alexander Van der Bellen!

Infos

Artners Pescetaria, Floragasse 6, 1040 Wien, Tel.: +43/(0)1/503 50 33, Restaurant: Di–Sa: 18–0 Uhr.
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("Die Presse Schaufenster" vom 23.09.2022)

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