Zeichen der Geschlossenheit

Mega-Gipfel in Prag: "Europäische Politische Gemeinschaft" trifft sich erstmals

Die "Europäische Politische Gemeinschaft" will eine Plattform für eine offene Diskussion unter den europäischen demokratischen Staaten sein - "und keine weitere europäische Organisation."
Die "Europäische Politische Gemeinschaft" will eine Plattform für eine offene Diskussion unter den europäischen demokratischen Staaten sein - "und keine weitere europäische Organisation."APA/AFP/JOE KLAMAR
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Staats- und Regierungschefs aus über 40 EU- und Partnerstaaten treffen zum Gründungstreffen der "Europäischen Politischen Gemeinschaft" in Prag ein. Das Treffen steht im Zeichen diverser Krisen - und will in erster Linie Geschlossenheit gegenüber Moskau signalisieren.

Als Signal gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine sind am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs fast aller europäischer Staaten in Prag zusammengetroffen. Das erste Treffen der sogenannten "Europäischen Politischen Gemeinschaft" soll die 27 EU-Mitgliedstaaten und die europäischen Nicht-EU-Staaten "im Geiste der Einheit" zusammenbringen. "Wir wissen, dass die Ukraine gewinnen wird, weil die Wahrheit auf ihrer Seite ist", sagte der tschechische Premier Petr Fiala.

Der Gastgeber des Treffens erinnerte an die Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 durch die sowjetische Armee. "Dies fasst unsere Erfahrung mit der Politik Moskaus zusammen." Fiala verwies außerdem auf das Motto "Die Wahrheit setzt sich durch" auf einem Banner der Prager Burg. In Hinblick auf Russlands Angriffskrieg forderte Fiala weitere Unterstützung der Europäer für die Ukraine. "Wir wissen, dass es hart ist, sich gegen das Böse zu stellen, aber am Ende wird die Wahrheit gewinnen."

„Keine weitere europäische Organisation"

Die "Europäische Politische Gemeinschaft" sei eine Plattform für eine offene Diskussion unter den europäischen demokratischen Staaten und keine weitere europäische Organisation, sagte Fiala. Das neue Format geht auf eine Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zurück. Konkrete Beschlüsse sind nicht vorgesehen, diskutiert werden die Sicherheitspolitik, die wirtschaftliche Situation, Energie und Klima sowie Migration und Mobilität.

Denn der Krieg in der Ukraine ist nicht die einzige Krise, die Spitzenvertreter der teilnehmenden Staaten derzeit beschäftigt. Im Kaukasus ist der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien zuletzt wieder aufgeflammt, die Energiekosten explodieren, die Gaslecks in den Nordstream-Pipelines beschäftigen die Ermittler, Europas Wirtschaft steht unter Druck.

Auch Liz Truss nahm am Gründungsgipfel der "Europäischen Politischen Gemeinschaft" teil.
Auch Liz Truss nahm am Gründungsgipfel der "Europäischen Politischen Gemeinschaft" teil.REUTERS

Nehammer trifft Spitzen von Bosnien und Nordmazedonien

Österreich wird durch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) vertreten. Nehammer wird am Rande des Gipfels in Prag am Donnerstag die Spitzen von Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien treffen. Bosnien ist durch den Vorsitzenden des Staatspräsidiums, Sefik Dzaferovic, repräsentiert, Nordmazedonien durch Ministerpräsident Dimitar Kovacevski.

Als "extrem wichtig" bezeichnete EU-Ratschef Charles Michel im Vorfeld der Sitzung das Treffen. Man stehe vor den "gleichen Herausforderungen", sagte Michel mit Blick auf die teilnehmenden Staaten. Dabei gehe es um "mehr Stabilität, mehr Sicherheit und mehr Frieden".

Neben den 27 EU-Staaten wurden 17 weitere Länder eingeladen. Darunter sind die Ukraine, die Türkei, Norwegen, Großbritannien, die Schweiz sowie die Westbalkanstaaten Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina und der Kosovo. Die Ukraine wird durch Ministerpräsident Denys Schmyhal vertreten. Präsident Wolodymyr Selenskij soll per Video zugeschaltet werden.

„Guten Grund für Abwesenheit Russlands und Belarus"

"Es gibt einen guten Grund, warum Russland und Belarus nicht hier sind", erklärte der belgische Premierminister Alexander De Croo vor dem Treffen. Das zeige, wie isoliert diese beiden Länder seien. "Es ist bereits eine gute Gruppe hier", fügte De Croo hinzu. Andere Länder könnten sich anschließen, wenn sie die demokratischen Werte teilen würden.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sagte, die "Europäische Politische Gemeinschaft" sei keine Alternative zur EU-Mitgliedschaft, sondern eine Plattform der europäischen Anführer, um die wichtigsten Themen zu diskutieren. Diese seien aktuell die europäische Sicherheit sowie Energie- und Klimafragen. Rutte versicherte, die Niederlande würden pragmatisch an eine engere Energie-Zusammenarbeit der EU-Staaten herangehen. Gemeinsame Beschlüsse seien möglich. Rutte würdigte zudem die Führungsrolle, die Großbritannien gegenüber Russland übernommen habe.

„Geschlossene Front gegen Putins Brutalität"

Gleichgesinnte europäische Demokratien bildeten mit dem neuen Forum eine "geschlossene Front gegen Putins Brutalität", erklärten die britische Premierministerin Liz Truss und Fiala nach britischen Angaben. Macron äußerte die Hoffnung auf ein Zeichen der "Einheit" und eine "strategische Diskussion, wie es sie bisher noch nicht gab".

Am Freitag beschäftigt sich dann ein informeller EU-Gipfel in Prag mit einer Antwort der Europäer auf die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin verkündeten völkerrechtswidrigen Annexionen ukrainischer Gebiete. Außerdem stehen der Schutz der kritischen Infrastruktur und die Wirtschaftsentwicklung auf der Agenda.

Der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Andreas Schieder, fordert von den Gipfeltreffen in Prag Antworten auf Annexion ukrainischer Gebiete und steigende Energiepreise. "Wir müssen ihnen und Putin zeigen, dass die EU und der westliche Balkan Seite an Seite einen gemeinsamen europäischen Weg beschreiten", erklärter er.

Brüssel-Briefing

Und wenn Emmanuel Macron doch recht hat?

Die Idee der Gründung einer „Europäischen Politischen Gemeinschaft“ wird in der Brüsseler Blase und in Osteuropa mit einer Mischung aus Abschätzigkeit und Besorgnis behandelt. Doch was, wenn dieser Vorstoß des französischen Präsidenten, die Nachbarn der EU näher an sich zu binden, doch fruchtet?

(APA/Red. )

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