Ein sechs Meter hoher Schrottriese spazierte im September im Rahmen einer Kunstaktion über den Schwarzenbergplatz in Wien.
Kreislaufwirtschaft

Elektroschrott ist der Stoff der Unabhängigkeit

Österreich liegt im EU-Vergleich im Spitzenfeld jener Länder, die alte Elektrogeräte sammeln und wiederverwerten. Doch das Potenzial ist noch lang nicht ausgeschöpft.

Die Lieferketten stocken, die Energie für die Transporte wird teuer, und immer neue politische Konflikte tragen dazu bei, dass zahlreiche Materialen knapp werden. Wartezeiten etwa für neue Waschmaschinen betragen deshalb bereits mehrere Monate, es fehlen Rohstoffe für Elektronik und Batterien. Dabei gibt es eigentlich in Europa genug: Sie sind in Produkten verbaut, die einige Jahre genutzt und dann weggeworfen werden. Elektroschrott ist der wertvollste und am stärksten zunehmende Abfall in Europa, doch bisher werden im EU-Schnitt lediglich 40 Prozent davon recycelt.

Zurzeit werfen die Österreicherinnen und Österreicher pro Kopf und Jahr 15,3 Kilogramm Altelektrogeräte weg. Immerhin 56,5 Prozent davon werden laut der Elektrogeräte-Koordinationsstelle Austria gesammelt und einem Recycling zugeführt. Damit erreicht Österreich zwar nicht die Vorgabe der EU von 65 Prozent, liegt aber trotzdem im Spitzenfeld der Mitgliedstaaten. „Das Sammeln von Elektroschrott ist in Österreich gut organisiert. Gemeinden und auch der Handel tragen ihres dazu bei“, so Hans Roth, Aufsichtsratsvorsitzender der Saubermacher Dienstleistungs AG. Sein Unternehmen hat jahrelange Erfahrung mit Elektromüll. In St. Michael in der Steiermark betreibt es eine Anlage, die laut Roth bereits eine Verwertungsquote von 90 Prozent erreicht.In unserem Schwerpunkt zum österreichischen Nationalfeiertag versuchen wir, die vielen Potenziale der Republik zu beleuchten.

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Doch das Potenzial ist noch lang nicht ausgeschöpft. Ein Grund ist das Produktdesign, das es oft erschwert, alle verwendeten Materialen zu trennen und wiederzuverwerten. Als Vorbild nennt der Saubermacher-Chef im Gespräch mit der „Presse“ die Kühlschrankhersteller, die bereits darauf achten, dass ihre Geräte leicht recycelt werden können. Und es gibt noch ein weiteres Problem: Das Verhalten vieler Konsumenten. Sie horten ihre nicht genutzten Geräte und Batterien oder werfen sie, statt sie zu Sammelstellen zu bringen, in den Restmüll. Laut einer Auswertung aus den Jahren 2018/19 landen in Österreich neben 11.000 Tonnen Elektrokleingeräten auch 870 Tonnen Batterien jährlich im Restmüll. Zudem werden etwa 40 Prozent der nicht mehr genutzten Lithiumakkus gar nicht gesammelt, weil sie von den Besitzern gehortet werden. „Sie liegen irgendwo in der Garagen, in Schubladen“, so Roth. Dabei gäbe es Anlagen, die sie verwerten könnten. Eine Lösung wäre ein Pfandsystem für derartige Batterien, um die Sammelquote zu erhöhen.

Kobalt, Nickel und Lithium

Bei Batterien sieht die EU eine Sammelquote von 45 Prozent vor. Österreich konnte 2021 immerhin 45,5 Prozent erreichen. Das ist freilich nach wie vor zu wenig. Martin Reichstein, Geschäftsführer der in Bremerhaven angesiedelten Saubermacher-Tochter Redux, sieht eine reale Möglichkeit, in einigen Jahren so viel Materialien aus Altbatterien zu gewinnen, dass Europa seinen Bedarf damit großteils selbst decken kann. Doch er warnt auch vor zu viel Optimismus. Dafür brauche es noch erhebliche Anstrengungen. Es sind vor allem Kobalt, Nickel und Lithium, die wiederverwertet werden können. Seltene Erden spielen hingegen kaum noch eine Rolle, da die Hersteller versuchen, sie durch alternative Materialien zu ersetzen.

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