Krieg in der Ukraine

Deutscher Präsident in Kiew: Steinmeier musste in Luftschutzkeller

Steinmeier (re.) traf in Kiew auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij.
Steinmeier (re.) traf in Kiew auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij.REUTERS
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Der deutsche Bundespräsident besucht erstmals seit Kriegsbeginn die Ukraine. Steinmeier führte nach Luftalarm in der Kleinstadt Korjukiwka im Luftschutzkeller Gespräche mit Bewohnern.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat der Ukraine bei einem Besuch die weitere Solidarität seiner Landes zugesagt. Bei seiner Ankunft in Kiew sagte er am Dienstag früh: "Meine Botschaft an die Ukrainerinnen und Ukrainer ist: Wir stehen nicht nur an eurer Seite. Sondern wir werden die Ukraine auch weiterhin unterstützen - wirtschaftlich, politisch und auch militärisch."

Seine Botschaft an die Deutschen laute: "Vergessen wir nicht, was dieser Krieg für die Menschen hier in der Ukraine bedeutet, wie viel Leid, wie viel Zerstörung herrscht. Die Menschen in der Ukraine brauchen uns." Der Bundespräsident fuhr wie andere internationale Gäste ohne öffentliche Ankündigung nachts mit dem Zug nach Kiew.

"Mir war es wichtig, gerade jetzt in dieser Phase der Luftangriffe mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen ein Zeichen der Solidarität an die Ukrainerinnen und Ukrainer zu senden", sagte Steinmeier. "Ich schaue wie viele Deutsche voller Bewunderung auf die Menschen hier in der Ukraine. Auf ihren Mut, auf ihre Unbeugsamkeit, die sie zeigen, nicht nur an der Front, sondern auch in den Städten, die beschossen werden, und auch im ländlichen Raum."

Mit Steinmeier im Luftschutzkeller

Steinmeier erhielt bei seinem Besuch in der Ukraine einen kleinen Eindruck, was der Krieg in dem Land für die Menschen bedeutet. Unmittelbar nach seiner Ankunft in der Kleinstadt Korjukiwka nordöstlich von Kiew wurde dort am Dienstag Luftalarm ausgelöst. Steinmeier, Bürgermeister Ratan Achmedow und eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern gingen daraufhin in einen Luftschutzkeller.

Dort ließ sich der Bundespräsident von den Menschen berichten, wie sie den russischen Angriffskrieg erleben. Eine Frau erzählte unter Tränen vom Kriegsbeginn am 24. Februar, eine andere von ihrem Mann, der gegen die russische Armee kämpft. "Mein Mann ist an der Front, an der heißesten Front", sagte sie.

"Wir haben die ersten eineinhalb Stunden im Luftschutzkeller verbracht", sagte Steinmeier anschließend. "Das hat uns besonders eindrücklich nahe gebracht, unter welchen Bedingungen die Menschen hier leben." Es sei eine Situation gewesen, die man bei dem Besuch nicht habe ausschließen können. Die Menschen dort müssten mit dieser Situation jeden Tag leben. "Das Gespräch gerade dort zu führen, war besonders eindrücklich. Und ich glaube, das ging nicht nur mir so."

Die russische Armee hatte nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe im benachbarten Belarus bis zu zehn Kampfdrohnen iranischer Bauart gestartet. Deshalb wurde der Alarm ausgelöst. Über Einschläge und Schäden wurde zunächst nichts bekannt.

Steinmeier hatte Korjukiwka 2021 schon einmal besucht. Die Stadt war im Zweiten Weltkrieg 1943 Schauplatz eines Massakers der SS an den Einwohnern gewesen. Am Nachmittag standen Gespräche in der Hauptstadt an, unter anderem mit Präsident Wolodymyr Selenskij.

Erst diplomatische, dann sicherheitstechnische Hürden

Steinmeier war erstmals seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar in der Ukraine. Es war bereits der dritte Anlauf Steinmeiers für eine Reise in das Land. In der vergangenen Woche wurde sie aus Sicherheitsgründen kurzfristig verschoben. Das für seinen Schutz zuständige Bundeskriminalamt (BKA) schrieb dazu auf Twitter, es habe "angesichts der aktuellen Gefahrenlage empfohlen, die geplante Reise des Bundespräsidenten Steinmeier in die Ukraine zu verschieben".

In den Tagen davor hatte Russland wiederholt mit Raketen und Drohnen die Infrastruktur der Ukraine angegriffen und die Strom- und Wärmeversorgung schwer beschädigt. Auch die Hauptstadt Kiew wurde attackiert. Vielen Ukrainerinnen und Ukrainern droht ein eisiger und dunkler Winter, wenn die Infrastruktur nicht schnell wieder aufgebaut werden kann.

Deshalb wollten Selenskij und Steinmeier dazu aufrufen, dass deutsche Städte und Gemeinden kurzfristig neue Partnerschaften mit Kommunen in der Ukraine eingehen, um den Menschen dort über den Winter zu helfen. Derzeit gibt es mehr als 100 Städtepartnerschaften, die aber unterschiedlich stark gepflegt werden. 34 wurden nach Beginn des Krieges neu geknüpft.

Debatte über Steinmeiers frühere Politik

Eigentlich wollte Steinmeier bereits Mitte April nach Kiew reisen - zusammen mit den Staatspräsidenten Polens, Lettlands, Litauens und Estlands. Die Initiative hierfür war von Polens Präsident Andrzej Duda ausgegangen. Unmittelbar vor Abreise kam aus Kiew aber eine Absage für Steinmeier. Er habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass sein Besuch offenbar "in Kiew nicht gewünscht" sei, sagte er seinerzeit enttäuscht. Steinmeier wird in der Ukraine seine russlandfreundliche Politik als Außenminister angekreidet. Er habe osteuropäische Warnungen vor einer Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen überhört.

Die Ausladung wurde in Berlin als beispielloser diplomatischer und politischer Affront gewertet. Selenskij erklärte zwar, er und sein Büro hätten gar keine offizielle Anfrage für einen Besuch aus dem Bundespräsidialamt erhalten. Die bis zuletzt geheim gehaltene Fahrt war aber von der polnischen Seite organisiert worden. Erst ein Telefongespräch beider Präsidenten Anfang Mai entspannte die Lage wieder. "Irritationen der Vergangenheit wurden ausgeräumt", hieß es anschließend aus dem Bundespräsidialamt.

Nun kam der Bundespräsident mit kleinster Delegation in das Kriegsland. Bei der Verschiebung in der vergangenen Woche hatte er zugesagt, der Besuch werde zeitnah nachgeholt. Nur ein enger Kreis war eingeweiht, wie zeitnah dies sein würde.

(APA/dpa)

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