Kunstlicht

Der Russe als beißender Hund: Oleg Kuliks Frühwerk in Wien

Wien findet immer stärker in seine historische Rolle als Treffpunkt von Ost und West hinein: In der Kunst wird das verstärkt sichtbar.

Ein nackter Mann, er läuft auf allen Vieren am Boden herum, er hebt das Bein, er knurrt, dann beißt er – die eleganten Gäste des Eröffnungs-Dinners eines Museums. Anfangs können die es gar nicht fassen, aber die Bedrohung ist echt, die Lage eskaliert, die Leute springen auf die Tische, Sessel fallen um. Der Hundemensch wird abgeführt.

Falls Sie 2017 die Kunstszenen-Persiflage „The Square“ gesehen und gelacht haben – diese Filmszene war keine Fiktion. Der Moskauer Performance-Künstler Oleg Kulik ist für derlei anarchische Auftritte in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre berühmt. Mehrmals wurde er dafür verhaftet. Seine Aktionen kritisierten russische Selbstbilder wie die von Naturverbundenheit oder idealisiertem Primitivismus. In einer alten Fotoserie, „Deep into Russia“, sah man ihn etwa auch mit nacktem Oberkörper auf einer Weide, den Kopf im Hintern einer Kuh steckend.

Damit machte man sich, damit macht man sich in Russland keine Freunde. Auch nicht mit seiner Bildhauerei, auf die er sich zuletzt wieder konzentrierte. Aktuell wartet der 1961 in Kiew geborene, sich als russisch verstehende Künstler in Moskau auf seinen Prozess: Verfolgt wird er wegen seiner „Großen Mutter“ von 2018, die er nach Kriegsbeginn bei einer Moskauer Kunstmesse ausgestellt hat. Es ist das Monument einer dicken nackten Frau, die ein Schwert in die Luft hält, während Männchen sie umzustürzen versuchen. Erkannt wurde es als Verhöhnung eines russischen Mutterland-Denkmals. Kulik erklärte, es handle sich um die Verarbeitung der Trennung von seiner Frau. Er wollte in Russland bleiben, aus privaten Gründen. Er könnte das mit bis zu drei Jahren Gefängnis büßen.

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