Israel wählt ein Parlament – zum fünften Mal in dreieinhalb Jahren. Der rechtsradikale Politiker Itamar Ben-Gvir könnte es dabei in die Regierung schaffen. Im Wahlkampf taucht er an sozialen Brennpunkten auf und gießt Öl ins Feuer.
Ein dunkelhäutiger Bub fährt auf seinem Fahrrad durch den Shapira-Park im Süden Tel Avivs. Vielleicht kann er kein Hebräisch lesen, vielleicht hat er die Schilder auch einfach übersehen, die rechte Aktivisten am Parkeingang aufgestellt haben: „Front zur Befreiung Süd-Tel-Avivs“, steht da und: „Wir stimmen für Abschiebung“. Gemeint ist die Abschiebung afrikanischstämmiger Flüchtlinge und Migranten, Menschen wie der Bub auf dem Rad.
Es ist ein sonniger Oktober-Nachmittag. Auf beiden Seiten des Wegs, der durch den kleinen Park führt, haben sich Dutzende Demonstranten aufgebaut. „Rassisten, geht nach Hause!“, brüllen die Menschen auf der einen Seite. Viele junge Leute sind dabei, die meisten von ihnen tragen grüne Shirts mit dem Logo der linken Meretz-Partei. Auf der anderen Seite stehen vor allem Männer mit Kippas, aber auch ein paar Frauen, die ihr Haar unter Tüchern verbergen, wie es unter strenggläubigen Jüdinnen nach der Hochzeit Sitte ist. Ein etwa dreijähriger Bub trägt ein Shirt mit der Aufschrift: „Wir teilen das Land nicht“ – eine Absage an eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern. „Verräter!“, rufen einige Männer den linken Demonstranten zu, und: „Es ist Zeit für Ben-Gvir!“