Herbst: "Politik muss wie ein privater Investor agieren"

Flughafen Wien / Dr. Christoph Herbst   Photo: Michaela Bruckberger
Flughafen Wien / Dr. Christoph Herbst Photo: Michaela Bruckberger(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Unwirtschaftliche Interessen der öffentlichen Hand haben auf dem Flughafen keinen Platz mehr, sagt dessen neuer Chef. Seine Vorgänger hätten den Aufsichtsrat über das Skylink-Debakel zu spät informiert.

Die Presse: Beim Flughafen soll es einen Neuanfang geben. Sie sitzen seit acht Jahren im Aufsichtsrat. Sind Sie ein echter Neuanfang?

Christoph Herbst: Es ist ein großer Unterschied, ob man Aufsichtsrat, Aufsichtsratsvorsitzender oder Vorstand ist. Wie es im Unternehmen wirklich im Detail zugeht, bekommt man als einfaches Aufsichtsratsmitglied nicht mit.

Ist das nicht auch eine Holschuld?

Im Nachhinein ist man immer klüger. Man hätte bei manchen Dingen besser nachfragen müssen, das ist richtig. Wir waren im Aufsichtsrat alle der Auffassung, dass der Terminal Skylink zwar eine schwierige Aufgabe, aber doch zu schaffen ist. Daher waren wir konsterniert, als alles bekannt wurde.


Warum hat es so lange gedauert, bis Konsequenzen gezogen wurden?

Wir haben von der wirklichen Tragweite erst im März 2009 erfahren. Es gab zuvor immer wieder Gerüchte. Vom Vorstand hat es aber geheißen, dass alles im Lot sei und die Probleme in den Griff zu kriegen wären.


Laut Gutachten von Waldemar Jud sind den Vorständen keine Verfehlungen anzulasten. Widerspricht das nicht Ihrer Aussage, dass Sie der Vorstand sehr wohl falsch informiert hat?

Ich habe nicht gesagt, dass wir falsch informiert wurden. Wir wurden zu positiv und zu spät informiert. Erst im April 2009 ist die wirtschaftliche Dimension klar geworden.


Die Staatsanwaltschaft ermittelt aber.

Ich möchte diesen Ermittlungen nicht vorgreifen. Soweit ich das Ganze aber beurteilen kann, sehe ich derzeit keine strafrechtlichen Verfehlungen.

Die Vorstandsverträge wurden im März 2009 trotz Skylink-Debakels um fünf Jahre verlängert. Warum hat man das gemacht?

Da hat es eine rege Diskussion im Aufsichtsrat gegeben. Im Sinne der Kontinuität hat man sich für die Verlängerung entschieden.


Sie wollten eine Verlängerung für nur zwei Jahre, konnten sich aber nicht durchsetzen. Hätten Sie damals nicht aufstehen und gehen sollen?

Wenn ich die Entscheidung, die vom gesamten Aufsichtsrat getroffen wurde, für unvertretbar gehalten hätte, wäre ich gegangen.


Waren Sie zu optimistisch, dass der Vorstand das Debakel beim Skylink abfangen kann?

Die Situation war damals nicht leicht einzuschätzen. Es gab kein Indiz, dass man dem Vorstand konkret etwas vorwerfen könnte. Wir sind ja auf die wahren Mängel erst im Laufe der Zeit draufgekommen.


Jetzt erhalten die scheidenden Vorstände teure Beraterverträge als Quasiabfertigung?


Das sehe ich nicht so. Wir haben mit Herbert Kaufmann (der Flughafen-Chef scheidet mit Jahresende aus, Anm.) einen Konsulentenvertrag geschlossen, weil wir glauben, dass er uns in manchen Bereichen sinnvoll unterstützen kann. Die Abteilung für das internationale Geschäft soll redimensioniert werden. Darum soll sich künftig nur Kaufmann kümmern. Das wird Geld sparen.


Werden Sie sich Rat von Herrn Kaufmann holen?

Ich werde mir von jedem Rat holen, der einen guten Rat geben kann. Trotz des Skylink-Debakels hat Kaufmann ein unheimliches Know-how, was den Flughafen betrifft. Ob man den Rat befolgt, ist eine andere Sache.

Was befähigt Sie als Anwalt, einen Konzern mit 4000 Mitarbeitern zu führen?

Es ist schon eine tolle Chance, in der Wirtschaft tätig zu sein. Die Herausforderung ist vor allem, die interne Kommunikation zu verändern, gewisse Strukturen schlanker zu machen und das Verhältnis mit unseren Partnern zu verbessern. Das kann jeder, der mit Hausverstand an die Sache herangeht. Die Feinarbeit müssen ab 2012 die zwei international gesuchten Experten machen.


Warum sucht man nicht jetzt eine neue Führung?


Wir mussten Neuanfang und Kontinuität abwägen. Mit einem radikalen Schnitt wäre ein reibungsloser Übergang nur sehr schwer gegangen. Ich glaube, wir haben ein vernünftiges Mittelmaß gefunden.


Zurück zum Skylink-Debakel. Hat man nur die Komplexität unterschätzt oder sind auch Gelder in dubiosen Kanälen versickert?

Nach meinen Informationen gibt es nicht den geringsten Hinweis, dass es Kick-back-Zahlungen oder Ähnliches gegeben hat. Ansonsten würden wir natürlich ganz anders verfahren.


Experten schätzen den Wert des Terminals auf 650 Mio. Euro. Kosten wird er aber mindestens 830 Mio. Euro. Wir erklären Sie sich die Differenz?

Die 830 Mio. Euro sind der vom Aufsichtsrat genehmigte Kostenrahmen. Ich gehe davon aus, dass dieser nicht komplett ausgeschöpft wird. Es sind sicherlich eine Reihe von Fehlern passiert. Die Frage ist: Sind diese Fehler außerhalb des Normalen? Denn bei jedem Großbauwerk gibt es Kostenüberschreitungen. Die Differenz zwischen Wert und Kosten drückt jedenfalls die Wirtschaftlichkeit.


Laut Rechnungshof kostet der Skylink eine Mrd. Euro, weil diverse Projekte ausgelagert wurden.

Dieser Vorwurf geht an der Sache vorbei. Diese Schnittstellenprojekte zu den bestehenden Terminals hat es von Anfang an gegeben und sie wurden auch nie verschwiegen. Sie werden in der Bilanz entsprechend dargestellt.

Obwohl der Flughafen immer gut verdient hat, fehlt das Geld für den Skylink. Ist ein Sparprogramm notwendig?


Mein Ziel ist, die Kosten im nächsten Jahr um mindestens zehn Prozent zu reduzieren. So paradox es klingt: Der Skylink ist auch eine Riesenchance, weil sich zeigt, dass die guten Zahlen viele schlecht funktionierende Strukturen überdeckt haben.


Bedeutet das auch einen Mitarbeiterabbau?

Nein. Es müssen die Sachkosten gesenkt und die Produktivität muss bis in den Vorstand erhöht werden.


Wäre es gut, wenn sich Wien und Niederösterreich vom Flughafen zurückzögen?

Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn wichtige Infrastruktur in öffentlicher Hand ist. Eine andere Sache ist aber, wie diese agiert. Die Politik muss sich wie ein normaler privater Investor verhalten. Wenn hingegen wirtschaftlich nicht mehr vertretbare Interessen im Vordergrund stehen, ist das problematisch. Da muss Österreich noch viel lernen.


Wird man 2012 die neuen Manager wieder genau einer Partei zuordnen können?

Sie müssen die beste Qualifikation haben und das Beste für das Unternehmen wollen. Ob sie rot, schwarz oder sonst etwas sind, darf keine Rolle spielen. Ich gehe davon aus, dass alle ihre Lektion gelernt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2010)

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