Prozess

Mutmaßlicher Mafia-Boss in Wien vor Gericht

Der 34-Jährige muss sich wegen schweren Raubes verantworten. Er und seine Bande sollen in Österreich in großem Stil mit Suchtgift gehandelt haben und dabei teilweise sehr brutal vorgegangen sein.

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Donnerstag am Wiener Landesgericht ein Prozess wegen schweren Raubes stattgefunden. Beim Angeklagten soll es sich um ein führendes Mitglied einer serbisch-montenegrinischen Mafia-Bande handeln, die in Österreich in großem Stil mit Suchtgift handelt.

Laut Anklage hat der 34-Jährige mit sechs anderen Banden-Mitgliedern in einer Garage in der Bundeshauptstadt am 28. Dezember 2019 einer anderen Täter-Gruppe mit Gewalt 13 Kilogramm Kokain und 106.000 Euro abgenommen. "Das Ganze war ein perfekt inszeniertes Szenario", schilderte ein Ermittler vom Bundeskriminalamt dem Schöffensenat.

Die Gruppierung des Angeklagten habe zum Schein vorgegeben, Kokain ankaufen zu wollen. Dafür wurden dem Ermittler zufolge eigens eine Lagerhalle angemietet und die zwei Verkäufer dorthin bestellt, wo dann der Angeklagte und seine Mittäter hinter aufgestellten Matratzen auf der Lauer lagen. Mit brutaler Gewalt gingen sie dann auf die anderen Männer los, die zu Boden geschlagen und mit Füßen getreten wurden. Einem der beiden wurde sogar ein Messer in den Rücken gestochen, der Mann wurde dabei erheblich verletzt.

Angeklagter bekennt sich nicht schuldig

"Ich war nicht Teil dessen, was in der Anklage steht", meinte der angebliche Mafia-Boss. Seine Gruppierung soll laut Bundeskriminalamt in ganz Europa, womöglich sogar weltweit bekannt und neben Suchtgifthandel für brutale Delikte gegen Leib und Leben berüchtigt sein. Er bekenne sich "nicht schuldig", sagte der 34-Jährige. Verteidiger Werner Tomanek wies darauf hin, dass sein Mandant in Österreich unbescholten sei. Die Anklage bezeichnete der Anwalt als "Arbeitshypothese", die auf Chat-Protokollen eines Krypto-Dienstes beruhe. Sein Mandant werde von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und keine Fragen beantworten, kündigte Tomanek an.

Fest steht, dass der 34-Jährige in Serbien bereits wegen Mordes eine elfjährige Freiheitsstrafe verbüßt hat. Dazu merkte der 34-Jährige knapp an: "Es ist unerhört, warum ich damals im Gefängnis sein musste." Danach gab es von seiner Seite keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Durch Chats auf die Schliche gekommen

Wie die Staatsanwältin ausführte, war man dem Angeklagten und seiner Gruppierung auf die Spur gekommen, weil diese über den vermeintlich abhörsicheren Krypto-Messenger Dienst Sky ECC kommuniziert hatten. Die Chats seien über einen Server in Frankreich gelaufen, der in einer Länder übergreifenden Kooperation von Polizeibehörden in Belgien, den Niederlanden und Frankreich geknackt werden konnte.

In weiterer Folge wurden die Chats mit Hilfe des FBI entschlüsselt, was Ermittlungen gegen Kriminelle in zahlreichen europäischen Ländern zur Folge hatte. Sie alle hatten sich Krypto-Messenger-Dienste bedient, um ihre Machenschaften abzuwickeln. Die Chats, die den 34-Jährigen und seine Gruppierung betrafen, wurden über Europol den österreichischen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt.

Organisation umfasst 200 Personen in Wien

Den Erkenntnissen des Bundeskriminalamts zufolge umfasste die kriminelle Organisation allein in Wien 200 Personen. Für mehrere 100 Kilogramm Suchtgift soll sie in der Bundeshauptstadt Abnehmer gefunden haben. Im Februar 2020 rückte der 34-Jährige an die Spitze des Wiener Ablegers vor. Weil er davon ausging, dass er in einem abhörsicheren, unentschlüsselbaren Chat kommunizierte, hätten er und seine Banden-Mitglieder freier und offener als in herkömmlichen Chats gesprochen, berichtete die Staatsanwältin.

Die begangenen Straftaten wurden offenbar auch regelmäßig mit Fotos dokumentiert und die Bilder in Gruppenchats gestellt. In Bezug auf den inkriminierten Raubüberfall soll der 34-Jährige konkrete Anweisungen erteilt haben. Die beraubten Männer wurden auch - noch am Boden liegend - fotografiert, weswegen das Bundeskriminalamt die beiden identifizieren konnte. Der niedergestochene Mann, der sich in ein Spital begeben und dort angegeben hatte, er sei von unbekannten Tätern attackiert worden, befindet sich mittlerweile in Zagreb in Haft. Er soll bis zum nächsten Verhandlungstermin von Kroatien ausgeliefert werden und dann als Zeuge aussagen.

Zeuge: „Den Herrn kenne ich nicht"

Bereits als Zeuge geladen war der zweite mutmaßlich überfallene Mann, gegen den die Staatsanwaltschaft Wien wegen versuchten Sichtgifthandels ermittelt. Er bestritt, mit jener Person ident zu sein, deren Foto in dem vom Angeklagten geführten Gruppen-Chat gelandet war. Dass dort auch ein Foto seines Reisepasses aufschien, konnte er sich nicht erklären. Ihm sei sein Pass gestohlen worden. Er sei nicht überfallen worden, den Angeklagten sehe er zum ersten Mal: "Den Herrn kenne ich nicht."

Von den weiteren am Raubüberfall beteiligten Tätern sind dem Bundeskriminalamt vier bekannt. Diese - sie stammen allesamt aus Serbien bzw. Montenegro - sind seit Juni bzw. August 2022 zur Festnahme ausgeschrieben. Die Identität der zwei weiteren Tatbeteiligten steht noch nicht fest. Der mutmaßliche Mafia-Boss sitzt bereits seit eineinhalb Jahren in Wien in U-Haft. Er wurde im Juni 2021 festgenommen.

Zur Einvernahme weiterer Zeugen wurde der Prozess vertagt. Die Verhandlung geht am 9. Dezember weiter.

(APA)

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