Chaos

Es wird eng für Elon Musk und Twitter

APA/AFP/FREDERIC J. BROWN
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Die Werbeanzeigen brechen ein, große Unternehmen ziehen sich zurück. Auf der Plattform herrscht Chaos seit der Übernahme durch Elon Musk, doch mit der Kongresswahl droht ihm Ungemach seitens der Politik. Dem Verfechter der „radikalen Meinungsfreiheit“ wird vorgeworfen, nichts gegen Falschmeldungen zu unternehmen.

Was ist da nur los bei Twitter? Eine Frage, die sich aufdrängt, wenn man auf die Vorgänge der letzten Tage seit der Übernahme durch Elon Musk auf den Kurznachrichtendienst blickt. Musk sieht sich massiver Kritik ausgesetzt. Nun meldet sich auch die US-Organisation Common Cause zu Wort. Der Vorwurf: Twitter reagiert nicht angemessen auf Fehlinformationen und das vor und während der US-Kongresswahl. Bei den republikanischen Kandidaten Marjorie Taylor Greene und Kari Lake fehlte es an den Warnhinweisen, die es gemäß den Richtlinien des Unternehmens geben müsse.

Rückblick: Elon Musk hat am 28. Oktober offiziell Twitter übernommen, die Geschäftsführung entlassen, den Verwaltungsrat vor die Tür gesetzt, Tausende Mitarbeiter gekündigt und wieder zurückgeholt. Außerdem wurden vorschnell Änderungen am Dienst eingeführt, die in der Praxis schnell an ihre Grenzen stieß. Der einst so vehemente Verfechter der freien Meinungsäußerung, der die lebenslangen Sperren bei Twitter verurteilte, sieht sich nun erstmals direkt mit Konsequenzen konfrontiert. Die Einführung des Abo-Modells hat zur Folge, dass nun jeder das weiße Häkchen auf blauem Grund erhält. Zuvor wurde dieses nur gewährt, wenn bestimmte Kriterien erfüllt waren und sichergestellt war, dass es sich wirklich um die Person handelt. Besonders in der Kommunikation mit berühmten Personen oder Politikern versprach es Sicherheit, tatsächlich mit dieser Person zu kommunizieren. Doch nun kann dieses Symbol jeder erhalten. Das hat zur Folge, dass es plötzlich Hunderte Elon Musks auf Twitter gab, die so allerlei Blödsinn von sich gaben. Die Reaktion: Musk ließ alle Nachahmer sperren und drohte plötzlich mit lebenslangen Sperren, wenn klar sei, dass es sich um keinen Satire-Account handle. Zu den ersten bekannteren Opfern zählt die Komikerin und Schauspielerin Cathy Griffin.

Zudem nutzte Elon Musk die Plattform selbst, um eine Wahlempfehlung abzugeben: für die Republikaner.

Dabei hielt er später fest, dass er in der Vergangenheit immer demokratisch gewählt habe.

Sein Verhalten hat zur Folge, dass sich vermehrt Werbepartner von Twitter distanzieren. Wenig verwunderlich, dass es sich dabei vornehmlich um Autofirmen handelt. Denn man darf nicht vergessen, Elon Musk ist nach wie vor Chef von Tesla und damit auch ein nicht zu unterschätzender Mitbewerber. Es ist durchaus paradox, auf der Plattform eines Konkurrenten für die eigene Marke zu werben. Doch es ist nicht das einzige Problem hinsichtlich Werbekunden. Doch auch General Mills (Lucky Charms und Cheerios) sowie Pfizer, das Versicherungsunternehmen Allianz haben die Anzeigen zurückgezogen. Da helfen auch Musks Drohungen nichts.

Hinzu kommt, dass offenbar Twitter (noch unter alter Führung) auf der alljährlichen Konferenz „New Fronts“ kaum Werbung verkauft hat für 2023. Normalerweise werden hier Anzeigen in Höhe von 600 bis 900 Millionen Dollar für das kommende Jahr verkauft. Das garantiert normalerweise einen großen Anteil der Einnahmen. Doch mit dem Chaos und der verschobenen Übernahme, herrschte Unsicherheit. Die vielen offenen Fragen konnte Twitter damals nicht beantworten und dementsprechend auch keine Sicherheiten bieten. Fazit: Statt 25 bis 30 Prozent der Werbeanzeigen für das kommende Jahr auf der Konferenz zu sichern, ging Twitter damals nahezu mit leeren Händen, wie der CEO von „Media Matters for America“ auf Twitter skizziert.

Zu den wirtschaftlichen Unsicherheiten gesellt sich nun auch die politische: Die Beiträge von Greene und Lake erhielten Zehntausende von Likes und Retweets auf Twitter. Republikaner beschuldigten am Dienstag in den sozialen Medien Demokraten, für die an einigen Orten gemeldeten Wahlpannen verantwortlich zu sein.

Reaktionszeiten von eineinhalb Stunden auf mehrere Tage

Common Cause, die sich für Transparenz in der Politik einsetzt, stellte auch eine deutliche Verlangsamung der Reaktionszeit von Twitter seit Freitag fest, nachdem Mitarbeiter, die für die Veröffentlichung glaubwürdiger Informationen zuständig waren, entlassen wurden. "Twitter ist hoffnungslos und antwortet nur, als dass sie etwas untersuchen und dann wird tagelang nicht mehr darauf reagiert", teilte die Gruppe mit. Die Reaktionszeit des Unternehmens habe zuvor normalerweise zwischen einer und drei Stunden gelegen. Twitter reagierte zunächst nicht auf Anfragen zur Stellungnahme.>>> Fake News, Geld und Donald Trump: Was Elon Musk mit Twitter wirklich vor hat [Podcast]

Die Wahlen am Dienstag stellen eine Bewährungsprobe für Twitter und andere sozialen Medien dar, die seit Jahren um ein Gleichgewicht zwischen freier Meinungsäußerung und der Verbreitung potenziell schädlicher Kommentare ringen. Vor den Zwischenwahlen am Dienstag hatten sowohl Musk als auch der Leiter der Sicherheits- und Integritätsabteilung von Twitter, Yoel Roth, angekündigt, dass das Unternehmen seine Richtlinien zur Wahlintegrität aufrechterhalten und durchsetzen werde.

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