Akademietheater

Liebe, Verrat und Tod in der Hochzeit von Aids

Ein sterbender Schwan geht um im New York der Achtzigerjahre: Patrick Güldenberg.
Ein sterbender Schwan geht um im New York der Achtzigerjahre: Patrick Güldenberg.(c) Susanne Hassler-Smith
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Das irre New York der Achtzigerjahre ließ Tony Kushner 1993 in „Engel in Amerika“ Revue passieren. Regisseur Daniel Kramer hat das leicht ergraute Stück runderneuert: Acht aus dem Burgtheater-Ensemble brillieren darin.

An Beispielen für Korruption, Scheinheiligkeit, verkommenen Machiavellismus herrscht auch in den USA, im Land der Tapferen und Freien, kein Mangel. Ein Paradebeispiel am rechten Rand war der New Yorker Jurist Roy M. Cohn. Schon als Twen wurde er in den Fünfzigerjahren zum Mitläufer des Kommunisten-Jägers Joseph McCarthy. Cohn trug wesentlich dazu bei, dass das Ehepaar Rosenberg wegen Spionage zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Später vertrat er auch den Immobilienhai Donald Trump sowie den Mafia-Boss John Gotti in dubiosen Fällen. Er starb 1986, mitten in der Ära des großen Retro-Erneuerers Ronald Reagan, an Aids, das zuerst vor allem Homosexuelle heimsuchte. Die Krankheit hatte Cohn zuvor standhaft geleugnet. Er gab vor, an Leberkrebs zu leiden. Ein schwuler Königsmacher der Republikaner? Wie würde das denn aussehen?

Tony Kushner hat es vor 29 Jahren vorgeführt. In einem Zweiteiler behandelte der US-Autor die Aids-Krise mit all dem Leid von Minderheiten. Eine Figur wie Cohn tritt in dem mit Pulitzer-Preis und Tony-Award ausgezeichneten Drama „Angels in America: Millennium Approaches“ auf. Das galt in homophoben Kreisen noch als Skandal. „Engel in Amerika“ feierte am Samstag im Akademietheater Premiere (der längere Teil II des Stückes, „Perestroika“, ist derzeit am Residenztheater in München zu sehen). Die mehr als drei Stunden lange Aufführung in Wien wurde vom Publikum ausgiebig bejubelt. Mit einigem Recht. Den Vergleich mit Hans Gratzers Erstaufführungen im Schauspielhaus Wien 1994/95 braucht US-Regisseur Daniel Kramer nicht zu fürchten.

Das Virus schwebt riesig über allen

Etwas selbstverliebt geriet die Inszenierung jedoch. Leicht verstaubt sind die Themen inzwischen auch. (Angst vor Aids? Das war gestern. Minderheiten haben inzwischen starke Lobbys. Die Musik könnte im Nachtklub Studio 54 in Midtown Manhattan gespielt worden sein. Er wurde bereits 1986 geschlossen.) Vor allem nach der Pause geht nach einem diskursiven Höhepunkt trotz fantastischer Bilder mit Feuer und Schnee im Finale die Luft aus. Wörtlich: Da platzt ein rosa Ballon, der wie ein Virus riesig über allen schwebte, durch einen Axthieb, wie es scheint. Alles in allem: Schrill, exzessiv, rührend ist dieser Rückblick auf ein Jahrzehnt, in dem die Disco-Szene und der Neoliberalismus den Takt vorgaben, während der Tod Schneisen in die meisten schwulen Gemeinschaften schlug. Aids senste gnadenlos.

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