Geschmacksfrage

Testessen im Loup Garou

Das Steak vom XO-Rind lebt vom salzigintensiven Spinat.
Das Steak vom XO-Rind lebt vom salzigintensiven Spinat.Christine Pichler
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Eine Naturweinbar holt Portugal flaschenweise nach Wien und versteckt sperriges Gemüse im schaumigen Parmesan.

Kurz vor 20 Uhr wird aus der intimen Atmosphäre eine gedrängte, zumindest für die Kellnerinnen im Loup-Garou, die sich an den Gästeträubchen vorbeischieben. Da ist man froh, wenn man an einem der vier kleinen Tischchen im Innenraum untergebracht wurde (Reservierungen nur via Instagram-Nachricht!).

Oder man lässt Bewegungsspielraum vor Wärme den Vorzug und nimmt im Gastgarten vor der Tür Platz. Leicht fröstelnd schmeckt das eine Glas Wein nämlich mindestens genauso unvorhersehbar und aufregend wie das nächste. Auch Koch Jakob Bergholtz schlängelt sich in Küchenmontur — mit Kappe und Schürze — immer wieder durch den Gastraum und serviert von Steak bis Oliven alles selbst.

Die Naturweinbar in der Zieglergasse ist seit ihrer Eröffnung im Frühjahr gut besucht. Was aussieht wie eine italienische Espressobar (klein, schöner verspiegelter Marmortresen, dunkle Holzvertäfelung, Campari überall), war einst ein polnisches Tschocherl, bis es Reinhard Pacejka, Gilles Reuter und Gianni Ciaccia übernommen haben. Das Trio betreibt auch das Third-Wave-Café Wolfgang unmittelbar daneben und die Cocktailbar Parfümerie drei Gehminuten entfernt. Das jüngste Projekt der Gastronomen nennt sich „Screw Wine“. Zum Aperitivobarbetrieb im Loup-Garou kommt eine Weinhandlung dazu.

Was aussieht wie eine italienische Espressobar (klein, schöner verspiegelter Marmortresen, dunkle Holzvertäfelung, Campari überall), war einst ein polnisches Tschocherl.
Was aussieht wie eine italienische Espressobar (klein, schöner verspiegelter Marmortresen, dunkle Holzvertäfelung, Campari überall), war einst ein polnisches Tschocherl.Christine Pichler

Es sei doch schade, dass in Österreich nur heimischer oder Naturwein aus Italien und Frankreich getrunken werde, meint Gilles Reuter. Deshalb ist das Team kurzerhand nach Portugal geflogen und hat sich in die dortige Naturweinszene eingelebt. Dort vorgefundene Schätze werden jetzt auch flaschenweise über den Bartresen im Loup-Garou verkauft. Für ein Korkengeld kann man die Flaschen auch gleich vor Ort konsumieren. Empfehlenswert, profitiert man dann doch auch vom Wissen der Sommelière Sara Weissteiner und der dortigen Küche.

 Die in Parmesanschaum versteckten Kohlsprossen garniert mit Pankoknusper jedenfalls konvertieren selbst Skeptiker zu Fans des sperrigen Gemüses.
Die in Parmesanschaum versteckten Kohlsprossen garniert mit Pankoknusper jedenfalls konvertieren selbst Skeptiker zu Fans des sperrigen Gemüses. Christine Pichler

Neben „Nibbles“, also Happen wie römische Blechpizza mit würziger Salsiccia und Tomaten oder Boquerones (Sardellen), stehen ein paar wenige Hauptgerichte und ein wechselndes Special auf der Karte, in diesem Fall portugiesische Blutwurst. Die in Parmesanschaum versteckten Kohlsprossen garniert mit Pankoknusper jedenfalls konvertieren selbst Skeptiker zu Fans des sperrigen Gemüses. Das Steak vom XO-Rind lebt vom salzigintensiven Spinat, auf dem es gebettet wurde, der Szechuanpfeffer zum Weißkraut prickelt noch Minuten später auf der Zunge, und die bissfeste, frische Nashi-Birne als Dessert spielt den chinesischen Jujube-Datteln in die Karten. Auf Sättigungsgefühl (und Kohlenhydrate) muss man vielleicht länger warten, aber hier soll das Essen sowieso nur (sehr gutes) Beiwerk zum Glas Wein sein.

Infos

Loup-Garou, Zieglergasse 38, 1070 Wien, Instagram: @loup.garou.vienna, Restaurant: Di–Sa: 17–23 Uhr.

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("Die Presse Schaufenster" vom 21.10.2022)

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