Wien

Missbrauch: Fachaufsicht soll klären, wie Anzeige im Jahr 2013 "versanden" konnte

Mindestens 40 Opfer des Sportlehrers, der an einer Wiener Mittelschule tätig war, wurden identifiziert. Nun soll geprüft werden, weshalb die Justiz nicht früher tätig wurde.

Im Missbrauchsfall um einen Sportlehrer, der bis zu seinem Suizid im Mai 2019 an einer Wiener Mittelschule über 15 Jahre hinweg zumindest 40 unmündige Buben missbraucht und fotografiert bzw. gefilmt haben dürfte, hat das Justizministerium im Weg der Fachaufsicht einen Informationsbericht der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt angefordert. Dort wurde eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs eingebracht, um zu klären, wie eine erste Anzeige gegen den Pädagogen "versanden" konnte.

Die Opfer-Anwältin Herta Bauer, die in diesem Aufsehen erregenden Fall mehrere von Missbrauch Betroffene vertritt, hatte Mitte November von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) unter anderem Aufklärung darüber verlangt, was mit dieser ersten, bereits im Jahr 2013 gegen den Sportlehrer eingebrachten Anzeige geschehen ist. Ein ehemaliger Teilnehmer eines Feriencamps am Wolfgangsee hatte seinerzeit gegen den Lehrer, der in den Sommermonaten in dem Camp als Betreuer tätig war, wegen sexuellen Missbrauchs - dieser soll im Zuge einer Massage erfolgt sein - auf einer Polizeidienststelle in Niederösterreich Anzeige erstattet. Dem niederösterreichischen Landeskriminalamt zufolge wurde die Sachverhaltsdarstellung dann den örtlich zuständigen Strafverfolgungsbehörden übermittelt - bis zum heutigen Tag aber offenkundig von keiner Staatsanwaltschaft aufgegriffen.

Wäre die Anzeige dem Gesetz entsprechend bearbeitet und der Wiener Lehrer allenfalls wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt worden, hätte er mutmaßlich nicht bis zum Mai 2019 an der Wiener Mittel- sowie einer angrenzenden Volksschule weiter unterrichten und im schulischen Bereich seiner pädophilen Neigung nachgehen können. Strafrechtliche Ermittlungen gegen den Pädagogen kamen erst ins Rollen, als ihn im April 2019 ein Ex-Schüler in Wien anzeigte. Nach dem Suizid des Lehrers Ende Mai desselben Jahres wurde das Ermittlungsverfahren gegen den an seiner Schule beliebten Sportlehrer seitens der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt. Über das zum mysteriösen Verschwinden der 2013 gelegten Anzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren hatte zuerst "Der Standard" berichtet.

Rechtliche Grundlage für „Meldekette“ schaffen

Der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer sprach sich am Montag für die Einführung einer österreichweit einheitlichen rechtlichen Grundlage für eine "Meldekette" bei Missbrauchsverdachtsfällen im Bildungsbereich aus. Das müsse man sich "im Detail ganz genau anschauen und uns überlegen, was wir tun können", sagte dazu Justizministerin Zadić am Dienstag auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz zum Gewaltschutzgipfel. Was im Zusammenhang mit dem schulischen Missbrauchsfall ans Tageslicht gekommen sei, "ist unglaublich", sagte sie. "Wir müssen alles daran setzten, dass wir solche Sachen verhindern", so die Ministerin.

(APA)

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