Terrorprozess

Mutter des Wiener Attentäters: "Ich glaube, dass jemand mitgeholfen hat"

APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Im Prozess rund um den Terroranschlag in Wien sagte am Mittwoch die Mutter des Attentäters als Zeugin aus. Zwei der sechs Angeklagten bezeichnete sie als die engsten Freunde ihres Sohnes.

Sechs Männer müssen sich beim Terrorprozess in Wien vor Gericht verantworten. Sie sollen den Attentäter unterstützt haben, der beim Anschlag in Wien am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt hatte. Am Mittwoch hat die Mutter des Attentäters als Zeugin ausgesagt. Auf die Frage eines Geschworenen, ob ihrer Ansicht nach mehrere Personen am Attentat beteiligt waren oder ihr Sohn den Anschlag alleine durchgeführt habe, meinte sie: "Ich glaube schon, dass da jemand mitgeholfen hat."

Konkretere Angaben konnte die Frau dazu nicht machen. "Beweisen kann ich es nicht. Glauben schon", erwiderte sie auf eine entsprechende Nachfrage eines Verteidigers. Ihrer Aussage zufolge seien zwei der Angeklagten - 22 und 24 Jahre alt - die engsten, nach ihrem Dafürhalten sogar die einzigen langjährigen Freunde ihres Sohnes. Sie habe sich "gewundert, dass der Freundeskreis so groß war“. Davon habe sie erst "aus den Medien" erfahren, sagte die Frau. Ihr Sohn habe stets "nur die zwei Namen genannt", meinte sie in Bezug auf den Zweit- und den Drittangeklagten.

Mutter hatte „sehr gutes Verhältnis“ zu Sohn

Die Staatsanwaltschaft wirft diesen beiden Männern vor, den Attentäter bei der Auswahl des Anschlagziels unterstützt zu haben. Zudem sollen sie ihm vor dem Anschlag bei Tatvorbereitungen geholfen haben. Sie haben diesen offenbar auch wenige Stunden vor den Schüssen in der Innenstadt in dessen Wohnung in der Wagramer Straße aufgesucht. Von dort war der Attentäter am Abend des 2. November 2020 in Verfolgung seiner terroristischen Absichten aufgebrochen. Die beiden Männer bestreiten - wie auch die restlichen Angeklagten - eine direkte Verwicklung in den Anschlag und dessen Planung.

Sie habe zuletzt "ein sehr gutes Verhältnis" zu ihrem Sohn gehabt, hielt die Mutter fest. Im Dezember 2019 war dieser aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und in einer terroristischen Vereinigung 22 Monate verbüßt hatte. Der im Juni 2000 in Mödling geborene Mann mit nordmazedonischen Wurzeln hatte gemeinsam mit einem der Angeklagten nach Syrien reisen wollen, um sich der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen. Die zwei wurden in der Türkei festgenommen, nach Österreich abgeschoben und im April 2019 am Wiener Landesgericht abgeurteilt.

Entgegen der Darstellung eben jenes Angeklagten bekräftigte die Zeugin, ihr Sohn habe nach der Haftentlassung zu diesem weiterhin eine "durchgehende Freundschaft" unterhalten. Wenn etwas anderes behaupte werde, "stimmt das nicht". Auf die Frage, ob sie bei ihrem Sohn anhaltende radikale Ansichten bemerkte habe, entgegnete die Frau: "Im Nachhinein schon. Vorher nicht." Äußerlich habe man ihm nichts in diese Richtung angesehen.

Mutter als „Ungläubige“ bezeichnet

Das Verhältnis zu ihrem Sohn sei unmittelbar nach dessen Inhaftierung zunächst schwierig gewesen. Sie sei von ihm als "Ungläubige" bezeichnet worden, es habe Konflikte um Glaubensfragen gegeben. Religion dürfte für die Mutter grundsätzlich keine wesentliche Rolle spielen. Die Beziehung zu ihrem Sohn habe sich dann gebessert, weil man nicht mehr über Glaubensthemen gesprochen habe: "Die letzten Monate war er viel netter als sonst. Viel zuvorkommender."

Obwohl er eine eigene Wohnung hatte, war er regelmäßig bei den Eltern. Die Mutter besorgte ihm die Wäsche, er bediente sich aus dem Kühlschrank. "Ich war froh, dass er da war“, sagte sie. Von ihrem Sohn habe sie gewusst, dass dieser seit August 2020 seine Wohnung vorübergehend einem Mann zur Verfügung gestellt hatte, weil dieser Schwierigkeit mit seiner Ehefrau hatte. Dabei handelte es sich um den Viertangeklagten, einen 28-Jährigen afghanischer Abstammung.

Das letzte Mal sah die Mutter den jungen Mann einen Tag vor dem Terror-Anschlag. Nach einem Verwandtenbesuch, zu dem dieser die Eltern nicht begleitet hatte, habe sie ihn noch in ihrer Wohnung angetroffen: "Er hat gefragt, warum wir so lange weg waren." Dann habe er ihr erklärt, dass er bei einem der jetzigen Angeklagten übernachten werde: "Er hat ein Sackerl genommen und ist gegangen."

Mutter kämpfte gegen Tränen

Emotional wurde es, als ein Geschworener der Zeugin, die bis dahin sehr souverän wirkte, sein "aufrichtiges Bedauern" kundtat: "Ich weiß, was ich sage, weil ich auch schon einen Sohn verloren habe." Darauf hin verlor die Mutter des von der Polizei erschossenen Attentäters ihre Fassung und kämpfte gegen Tränen an. Von der Geschworenenbank bekam sie ein Taschentuch gereicht. "Genau das wollte ich nicht", hielt sie fest. Ihre Befragung wurde schließlich für zehn Minuten unterbrochen.

Danach bekräftigte die Zeugin, sie habe sich die Glaubensansichten ihres Sohnes nie aufzwingen lassen: "Er kann mir nicht sagen, was ich mache. Das ist meine Entscheidung." Man habe daher "nicht gemeinsam gebetet".

Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt. Am 19. Jänner soll der Vater des Attentäters aussagen.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.