ILO-Studie

Flexiblere Arbeit macht Beschäftigte produktiver

Home-Office
Home-Office(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Flexiblere Arbeitszeiten nützen Beschäftigten und Unternehmen, das Home-Office ebenso – aber es gibt auch Gefahren.

Wien/Genf. Flexible und geringere Arbeitszeiten sind bei vielen Beschäftigten nicht nur willkommen, sie erhöhen auch die Produktivität. Davon könnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Unternehmen und die Wirtschaft insgesamt profitieren, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf. Darin werden die Erfahrungen aus der Zeit der Coronapandemie ausgewertet.

Der Studie zufolge arbeitet die Mehrheit der Beschäftigten weltweit entweder erheblich länger oder kürzer als acht Stunden pro Tag an fünf Tagen die Woche – von den als Norm angesehenen 40 Wochenstunden wird also in der Praxis sehr oft abgewichen. Mehr als ein Drittel arbeitet demnach regelmäßig mehr als 48 Stunden pro Woche; ein Fünftel der Beschäftigten weltweit dagegen arbeitet weniger als 35 Stunden pro Woche. Auch irregulär Beschäftigte haben laut der Studie häufig sehr lange oder eher kurze Arbeitszeiten.

Weniger Fluktuation

In der Coronapandemie mussten Unternehmen und Regierungen rasch reagieren, um Organisationen am Laufen und Beschäftigte im Job zu halten. Kurzarbeit für eine Vielzahl von Beschäftigten helfe, Kündigungen zu vermeiden, so die ILO. Zudem werde das eilends eingeführte Home-Office fast überall auf der Welt die Art der Arbeit „in absehbarer Zukunft“ grundlegend verändern.

Die in der Pandemie getroffenen Maßnahmen haben laut der Studie „eine Menge Belege“ dafür geliefert, dass Flexibilität hinsichtlich Zeit und Ort nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für das Unternehmen positiv sein könne. Die Flexibilität einzuschränken erhöhe dagegen die Kosten – etwa weil die Beschäftigten öfter kündigen und neue Leute gesucht werden müssen. „Programme für Work-Life-Balance sind ein Win-Win für Arbeitgeber und Beschäftigte“, so das Fazit der Studie.

Die UN-Organisation empfiehlt den Regierungen, die guten Erfahrungen mit Kurzarbeit und Flexibilisierung der Arbeit aus der Coronapandemie zu nutzen. So könne Kurzarbeit nicht nur Beschäftigung sichern, sondern auch die Kaufkraft stärken und so die negativen Effekte einer Wirtschaftskrise abmildern.

In vielen Ländern sollte die Politik laut ILO jedoch auch generelle Arbeitszeitverkürzungen und eine „gesunde“ Work-Life-Balance fördern und so die Produktivität verbessern. Die ILO-Studie warnt allerdings auch vor Gefahren des Home-Office. Sie empfiehlt, dass Beschäftigte ein „Recht auf Abschalten“ bekommen sollten, um die negativen Effekte einzudämmen – die dadurch entstehen können, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen.

Arbeitszeitregeln zwingend

In eine ähnliche Richtung deutete – wie berichtet – auch eine im Herbst präsentierte Studie der EU-Forschungsstelle Eurofound: Demnach wollen zwar laut einer im Vorjahr durchgeführten Umfrage viele, die wegen Covid im Home-Office waren, auch weiterhin teilweise von zu Hause arbeiten. Am Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung werden aber tendenziell sogar mehr Überstunden gemacht, und bei der jüngsten Umfrage gab es auch mehr Angaben zu gesundheitlichen Problemen durch Überlastung. Eurofound plädiert daher – ähnlich wie die ILO – für ein „Recht auf Nichterreichbarkeit“.

Rechtlich gibt es diesen Anspruch freilich ohnehin – so schreibt in Österreich das Arbeitszeitgesetz nach Arbeitsende eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden vor. In dieser Zeit ist Abschalten nicht nur ein Recht, sondern Pflicht. Auch die Pausenregelungen und die Grenzen für die tägliche Maximalarbeitszeit sind zwingendes Recht und gelten im Home-Office genauso. (cka/APA/AFP)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2023)

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