Wettbewerb

Grünes Europa „made in China“

Drei Viertel aller Solaranlagen, die in Europa installiert werden, kommen aus China.
Drei Viertel aller Solaranlagen, die in Europa installiert werden, kommen aus China. REUTERS
  • Drucken
  • Kommentieren

Wind, Solar, Elektroautos. Das Geschäft mit sauberen Technologien wird zum Milliardenmarkt – mit der Volksrepublik als großer Gewinnerin. Die USA halten dagegen, der EU droht die erneute Abhängigkeit.

Wien. Wer sich dieser Tage eine Solaranlage am Hausdach installieren will, kennt das Problem: Nicht nur die versprochene Förderung ist schwer zu bekommen, auch die Komponenten sind mitunter knapp. Soll die Solaranlage noch dazu aus Europa statt aus China kommen, dauert alles noch länger. Der Ausbau der Erneuerbaren boomt am ganzen Kontinent, die Lieferanten kommen kaum nach – und das ist erst der Anfang.

Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht die Welt gar „am Vorabend eines neuen Industriezeitalters“. Das Geschäft mit Solarzellen, Windrädern, Elektroautos, Wärmepumpen, und Elektrolyseuren für grünen Wasserstoff werde sich bis 2030 auf 650 Milliarden US-Dollar (602 Mrd. Euro) im Jahr verdreifachen und 14 Millionen Menschen Arbeit bringen. Aber die IEA warnt auch: Nicht alle werden profitieren – und kommen die westlichen Staaten nicht in die Gänge, gehen sie leer aus und die Energiewende könnte scheitern.

(c) Die Presse

Wer hat die Mineralien?

„Die Welt hat an Europa gesehen, was passiert, wenn man sich von einem Land abhängig macht“, sagt IEA-Chef Fatih Birol. Die Fehler, die Europa mit russischem Gas gemacht habe, dürften sich im neuen Energiesystem nicht wiederholen. Doch die Voraussetzungen sind nicht ideal. Auch die erhoffte emissionsfreie Welt voller Windräder und Elektroautos kommt nicht ohne Abhängigkeiten. Kritische Mineralien wie Kupfer, Kobalt, Lithium oder Nickel sind in den Händen weniger Lieferanten (siehe Grafik). Die Nachfrage dürfte durch die Energiewende massiv steigen, verschlingt der Bau eines typischen Elektroautos doch etwa 200 Kilogramm dieser Rohstoffe. Fünf Mal mehr als ein klassischer Verbrenner. Ein Windkraftwerk benötigt neun Mal mehr Mineralien wie ein Gaskraftwerk mit gleicher Leistung. Will die Welt ihre Klimaziele erreichen, sind Engpässe zu erwarten. „Es gibt zwar genug Rohstoffe auf der Welt, aber sie müssen deutlich schneller aus der Erde geholt werden“, sagt IEA-Experte Timor Gül.

China, der Dominator

Die hohe Marktmacht einzelner Staaten bei Rohstoffen ist bekannt. Aber auch bei den grünen Technologien, die daraus gebaut werden, sieht es nicht besser aus. Die drei größten Produzenten teilen sich jeweils 70 bis 85 Prozent des globalen Marktes bei Solarmodulen, Windkraftwerken, Elektrolyseuren und Batterien. Und China ist – dank jahrelanger straffer Industriepolitik – heute überall der mit Abstand größte Produzent (siehe Grafik). Drei Viertel der Solaranlagen, die in Europa verkauft werden, stammen aus chinesischen Werken. Die USA halten mit einem Importzoll dagegen und importieren vermehrt aus anderen südostasiatischen Ländern. Pekings konsequenter Aufbau der grünen Industrie hat der Welt lange Zeit fallende Preise beschert. Inzwischen ist die hohe Marktmacht aber zur Gefahr geworden, die die Energiewende teurer und unsicherer machen kann. Die Kosten für Solaranlagen außerhalb Chinas sind seit 2020 um ein Viertel gestiegen, höhere Preise für Kobalt und Nickel haben Elektroautos 2022 um zehn Prozent verteuert. Sehen sich die Importstaaten nicht bald nach alternativen Lieferanten um, drohen sie bei Störungen der Lieferkette durch Kriege, Exportverbote oder Naturkatastrophen hilflos zurückzubleiben.

Fatih Birol fordert von den Staaten „internationale Kooperation“ ein, um die Energiewende leistbar zu machen und rasch umsetzen zu können, weiß aber, dass „der Wind in eine andere Richtung weht“. USA und China sind auch auf diesem Markt auf Konfrontationskurs. Joe Biden hat mit dem „Inflation Reduction Act“ ein hunderte Milliarden Dollar schweres Aufbauprogramm für eine grüne US-Industrie durchgeboxt, um den Rückstand auf China zu verringern und dem Land einen Teil des Kuchens zu sichern. Indien, Japan und Europa haben zumindest Strategiepapiere vorgelegt, sind aber deutlich im Hintertreffen. Noch sei es nicht zu spät, um in das Rennen einzusteigen, ist Timor Gül überzeugt. „Aber nicht alle Staaten können in allen Feldern konkurrenzfähig sein“. Jedes Land müsse wissen, was es beitragen könne – und welche strategischen Allianzen es daher noch brauche.

Österreichs Chance

Österreich könnte dank seiner Pump- und Erdgasspeicher etwa seine Rolle als „Batterie“ für grünen Strom und Wasserstoff forcieren. Auch in der Solartechnik sind heimische Betriebe in ihren Nischen heute Weltmarktführer. Doch genau die bekommen die geopolitischen Spannungen voll zu spüren. Notwendige Chips aus China kämen nur schleppend an, berichten Unternehmer. Das nütze die – ebenfalls chinesische – Konkurrenz aus und dränge mit ihren fertigen Modulen auf den heimischen Markt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der Solaranlagen-Boom hätte noch stärker ausfallen können.
Fotovoltaik

Solaranlagen könnten viel billiger sein

Bei der Anschaffung einer Solaranlage fürs Hausdach könnten sich Verbraucher die Mehrwertsteuer ersparen. Eine EU-Richtlinie erlaubt das – anders als Deutschland nutzt Österreich es vorerst jedoch nicht.
Der Flughafen Wien hat 2022 eine der größten Photovoltaik-Anlagen im Land in Betrieb genommen. 55.000 Paneele liefern 24 Megawatt Maximalleistung.
Erneuerbare Energie

Öko-Boom in Österreich: Ein Rekord, der enttäuschen kann

Unternehmen lassen Millionen an Förderungen für Wind- und Solarkraft liegen. Wer privat eine Solaranlage bauen will, kommt dafür oft nicht zum Zug. Trotz aller Ausbau-Rekorde muss der Bund bei der Energiewende nachjustieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.