Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) im Lavendelfeld (Lavandula angustifolia) im Abendlicht, Genthin, Deutschland, Europ
Natur

Gibt es doch kein Insektensterben?

Die Anzahl der Insektenarten ist in Österreich in den vergangenen 30 Jahren gleich geblieben. Allerdings wurde ein Viertel der ursprünglichen Arten durch neue ersetzt, hat das Landwirtschaftsministerium in einer großen Studie herausgefunden. Eine Entwarnung ist das aber nicht.

Früher waren es der Seeadler oder der Wolf, um die man sich in Österreich Sorgen machen musste. „Heute fragt man sich, wie geht es der Moorwalzenzikade?“ Vielleicht fragen sich das nicht alle Österreicher, aber zumindest Biologen wie Thomas Zuna-Kratky, der für das Landwirtschaftministerium eine österreichweite Insektenstudie durchgeführt hat. Die Studie, die am Montag von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) vorgestellt wurde, sollte Aufschluss über das immer wieder beschworene „Insektensterben" geben, für das es aber in Österreich bis dato keine seriöse Erhebungen gab.

Sie kam zu überraschenden Ergebnissen: So ist im Lauf der vergangenen 30 Jahre tatsächlich ein Viertel der Insektenarten in Österreich verschwunden. Auf die Artenvielfalt hat sich das aber nur bedingt ausgewirkt - weil verschwundene durch neue Arten ersetzt worden sind.

4285 Insektenarten und somit elf Prozent der Insektenvielfalt in ganz Österreich wurden in der zweijährigen Studie untersucht, der jetzige Bestand mit früheren Studien verglichen. Vor allem Heuschrecken, Hummeln, Tagfalter, Wanzen und Zikaden standen im Fokus der 22 beteiligten Biologen.

Klima als Faktor

Hauptfaktor für die Veränderung des Artenvorkommens ist der Klimawandel. So sind vor allem solche Insekten verschwunden, die kühle oder feuchte Lebensräume bevorzugen. Stattdessen haben sich wärmeliebende Insekten ausgebreitet. Auch im Hochgebirge, das lang zu kalt für viele Insekten war, ist etwa die Anzahl der Heuschrecken signifikant angestiegen.

Spiegel-Schrecke
Spiegel-Schreckedpa/Heiko Lossie

Im Rest Österreichs verschwinden viele Heuschreckenarten aber zusehends, was sie zu einem der „Klimaverlierer“ mache, sagte Zuna-Kratky. Als Gewinner hat sich - ein Neuzugang in Österreich - die Erdbauhummel etabliert. Auch bei heimischen Hummeln seien die Bestände „relativ stabil“. Positive Entwicklungen hingegen gab es etwa bei den Tagfaltern in den Ackerbaugebieten der Tieflagen.

Doch kein Insektensterben?

Kann damit aber Entwarnung für das Insektensterben gegeben werden? Nicht unbedingt, sagte Zuna-Kratky. Zwar wurde in keiner der untersuchten österreichischen Regionen ein so dramatischer Rückgang von drei Vierteln der Arten festgestellt werden wie in der viel beachteten „Krefeldstudie" aus Deutschland, andererseits sei die Studie „nicht komplett“. Man habe sich auf offene Kulturlandschaften beschränkt, andere Gebiete wie Wälder oder Gewässer seien nicht oder nur wenig untersucht worden. Minister Totschnig kündigte an, dass in Zukunft weitere Studien angestoßen würden. "Es ist unser Anliegen, dass hier Datenmaterial vorliegt."

Im Jahr 2020 veröffentlichte das österreichische Umweltbundesamt eine Studie zu "Insekten in Österreich", in deren Resümee auf aktuelle mitteleuropäische Publikationen verwiesen wurde, die von Rückgangsraten der Insektenfauna von über fünf Prozent pro Jahr ausgingen. Dies sei nicht überraschend, hieß es, und in Österreich sei von Rückgängen auszugehen.

Der Insektenbestand in Österreich ist also auch weiterhin gefährdet, und das nicht nur wegen des Klimawandels. Zunehmende Verbauung sorgt für Lebensraumverlust und den Rückgang von Nahrungspflanzen. Ein besonders negativer Faktor, der sich auf die Lebensbedingungen der Insekten auswirkt, ist außerdem die zunehmend intensive landwirtschaftliche Nutzung, während traditionelle, extensive Nutzungsformen - etwa Weiden oder Wiesen, die nur einmal gemäht werden - immer weniger werden. Schädlich für die Insekten sind zudem Stickstoffeinträge und die Verwendung von Pestiziden ebenso wie Lichtverschmutzung. 

Was hilft?

Für den Erhalt der Insektenvielfalt gibt es viele Maßnahmen: Extensive landwirtschaftliche Nutzung sollte, wo möglich, gefördert werden. Ebenso sollten sogenannte Sonderstrukturen, etwa einzelne Bäume, Totholz oder Buschgruppen, erhalten bleiben. Sie sind auch ein wichtiger Lebensraum für Insekten.

Oekologie, Erosion, Bodennutzung, nackter Ackerboden neben Baumbestand, Laubfaerbung, Luftaufnahme Klimaschutz, Erosion **
Oekologie, Erosion, Bodennutzung, nackter Ackerboden neben Baumbestand, Laubfaerbung, Luftaufnahme Klimaschutz, Erosion **IMAGO/Martin Bäuml Fotodesign

Doch nicht nur in der Landwirtschaft kann der Biodiversität nachgeholfen werden. „Auch für Private oder Gewerbetreibende gibt es effiziente Maßnahmen“, sagte Zuna-Kratky. „Eine Blumenwiese statt eines Parkplatzes kann viel kompensieren.“ Wichtig sei auch der Erhalt oder die Renaturierung von Gewässern, denn „Insekten brauchen Wasser“, sagt der Biologe. In Gebieten, wo Gewässer renaturiert wurden, habe man auch in der Studie beobachten können, dass sich die Insektenvielfalt wieder erhöht habe.

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