Ministerin Schmied kritisiert die zusätzlichen Prüfungen, die das ÖVP-Bildungskonzept vorsieht. Für die Grünen ist die Mittlere Reife "brutal". So könne man "mit Traktoren umgehen, aber nicht mit Kindern".
Mehr lesen, Hausübungen machen und mit den Kindern lernen: Die Eltern sollen sich mehr engagieren, was die Bildung ihrer Kinder betrifft, sagte Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) im Ö1-Morgenjournal. Sie sollten die Verantwortung für die Ausbildung ihrer Kinder nicht auf den Staat abschieben. Geht es nach dem ÖVP-Bildungskonzept, sollen Eltern eine Bildungsvereinbarung mit der Schule abschließen. Für Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ist die Ausbildung hingegen "zentrale Aufgabe der Schule". Das ist nicht der einzige Punkt, wo die beiden Ministerinnen unterschiedlicher Meinung sind.
Kritik an Mittlerer Reife
Für die Schmied kommen im ÖVP-Bildungspapier zu viele Prüfungen vor. "Ja zur Qualifikation, aber es darf keine Hürden geben." Die angedachte "Mittlere Reife" mit 14 vor mit der über den Aufstieg eines Kindes oder den Wechsel ins Gymnasium entschieden wird, sei eine solche Hürde. Leistung, Qualifikation und Freude am Lernen würden durch zu viele Prüfungen nicht erreicht, so Schmied im Ö1-Interview.
Auch die Grünen kritisieren die Mittlere Reife: Mit dieser und der Bildungsempfehlung am Ende der Volksschule solle es offenbar künftig zwei Knock-out-Situationen geben. Das sei "brutal" und gehöre nicht in ein modernes Bildungssystem. "So kann man mit Traktoren umgehen, aber nicht mit Kindern", kritisierte Bundessprecherin Eva Glawischnig. Mit dem VP-Papier werde das Sitzenbleiben in der Volksschule wieder eingeführt und der Übertritt in die AHS-Unterstufe bzw. später in die Oberstufe erschwert (mehr).
Eltern und Lehrer gegen Mittlere Reife
Ähnlich die Eltern: Es dürfe nicht von einer einzelnen Prüfung abhängen, ob jemand in die AHS-Oberstufe aufsteigen darf oder nicht, sagt der Vorsitzende der Elternvertreter an den mittleren und höheren Schulen, Theodor Saverschel. Auch die AHS-Lehrervertreter sprechen sich gegen eine punktuelle Prüfung aus. Besser wäre ein längerer Beobachtungszeitraum und früheres Feedback für Schüler und Eltern, sagte der Sprecher der AHS-Gewerkschaft, Matthias Hofer.
Dazu Ministerin Karl: Es gehe nicht um eine punktuelle Prüfung, die über einen Aufstieg entscheidet, sondern um einen Prüfungskanon ähnlich der teilstandardisierten Matura. Teil der Mittleren Reife sollen auch weiterhin die Zeugnisnoten sein, es könnten aber auch Projektarbeiten einbezogen werden, so Karl. Wie die Mittlere Reife konkret aussehen könnte, ist aber auch innerhalb der ÖVP umstritten.
Experte: "Zwischenabschlüsse sind wichtig"
Positiv sieht Stefan Hopmann, Bildungswissenschafter an der Universität Wien, sowohl die Bildungsempfehlung als auch die Mittlere Reife: Erstere sei "kein Problem", sofern Volksschullehrer dabei Unterstützung erhalten, sagte Hopmann. Auch die Mittlere Reife sieht er als sinnvollen Vorschlag: "Zwischenabschlüsse sind wichtig", so Hopmann in der "Presse". Wer unterwegs die Motivation verliert, sollte am Ende nicht mit leeren Händen dastehen.
Das Problem der sozialen Ungleichheit würden Nahtstellen aber nicht lösen, meint Hopmann: "Jede Schnittstelle, beziehungsweise zusätzliche Leistungsanforderung führt zu weiteren oder gleichbleibenden sozialen Unterschieden." Was seiner Meinung nach in dem Bildungskonzept der ÖVP am meisten fehlt ist eine kontinuierliche Förderung der sozial schwachen Schüler.
(Red.)