Wohnen

Die Mietbremse und ihre Tücken

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Arbeiterkammer fordert politische Maßnahmen. Aber die Regierung hält sich zurück. Vielleicht zu Recht?

Es wird immer enger. Teurere Lebensmittel, höhere Energierechnung, steigende Zinsen für den Kredit, und jetzt droht noch die Anhebung der Miete. Schon Ende 2021 befürchteten laut Statistik Austria zwölf Prozent der Bevölkerung für die folgenden drei Monate Zahlungsengpässe für ihre Wohnkosten. Nun sind es mehr als doppelt so viele. Im dritten Quartal 2022 erwarteten 30 Prozent, in Geldnot zu geraten. Das sind 1,9 Millionen Menschen.

In privaten Mietwohnungen rechnen 37 Prozent mit Zahlungsschwierigkeiten, bei Gemeindewohnungen sind es sogar 40 Prozent. „Das sind Zahlen, die einen sprachlos machen“, sagt Thomas Ritt von der Arbeiterkammer. Der Leiter der Abteilung Kommunal und Wohnen findet die Ergebnisse des jüngsten Bautenausschusses „unbefriedigend“. Anträge zu einem Stopp jeglicher Mieterhöhungen bis 2025 wurden mit Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt. Schon im April dürften die Mieten für Gemeindebau- und viele Altbaubewohner um 8,6 Prozent steigen.

Diese Erhöhung zumindest für den sozialen Wohnbau auszusetzen war selbst für den Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig kein Thema. Dennoch forderte die Bundes-SPÖ, die Kategorie- und Richtwertmieten an den Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank bis maximal zwei Prozent statt an die Inflation zu koppeln.

Ähnliche Modelle gibt es in anderen Ländern wie Spanien (zwei Prozent) und Frankreich (3,5 Prozent). Wäre das ein Modell für Österreich?

Würde bei uns eine Zwei-Prozent-Decke eingezogen, würde das die Mieterinnen und Mieter im Schnitt um 156 Euro entlasten, rechnet das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut vor.

Die Maßnahmen wären zwar populär, haben aber auch ihre Tücken. Laut dem Agenda-Austria-Ökonomen Jan Kluge hätte das eine Entwertung dieser Wohnungen zur Folge. Um dem vorzubeugen, würden Altbauwohnungen lieber verkauft und damit dem Mietmarkt entzogen. Das würde die Lage bei den nicht gedeckelten Neubaumieten zusätzlich verschärfen. Die Mietbremse würden also vor allem neue Mieter bezahlen.

Die Presse/Petra Winkler

Zudem deckt der soziale Wohnbau den Bedarf bei Weitem nicht ab. Mit „Glück“ erhält man eine der 220.000 Wiener Gemeindebauwohnungen. Der Rest wird auf den freien Wohnungsmarkt gezwungen. Strukturelle Probleme werden so nicht gelöst. Das weiß auch AK-Experte Ritt. Er fordert deshalb, dass Grundstücke jener Unternehmen, die mehrheitlich dem Bund gehören, wie etwa die ÖBB, nur mit geförderten Wohnungen bebaut werden sollen.

Auch eine Leerstandsabgabe schwebt der Arbeiterkammer vor. Jedoch ist völlig unklar, wie viele Immobilien tatsächlich leer stehen und wie man dies eruiert. Oft handelt es sich um Zweitwohnsitze oder ein Objekt im Vermarktungsprozess. Manche werden auf Plattformen wie Airbnb angeboten. Diese touristischen Kurzzeitvermietungen sollen eingeschränkt werden, so die AK.

5200 Menschen wären obdachlos

Obwohl die meisten Vorschläge im Regierungsprogramm zu lesen sind, ist keine politische Einigung in Sicht. Droht damit wirklich jedem dritten Mieter die Räumung? Die AK-Wohnberatung und Volkshilfe werden überrannt, heißt es. Bei der AK Wien würden sich 500 Menschen pro Monat wegen der Teuerungen melden. Dabei werde unter anderem gefragt, ob der hohe Mietzins wirklich rechtens ist. „Wir erleben gerade eine Zeitenwende der sozialen Sicherheit“, sagt Tanja Wehsely, Geschäftsführerin Volkshilfe Wien. Der Wohnschirm verhindere das absolute „Desaster“. Er sprang seit März 2022 bei der Bezahlung von 2300 Wohnungen ein, sonst wären 5200 Menschen auf der Straße gestanden. Dafür wurden sieben Millionen Euro ausbezahlt und fast 400 bereits angesetzte Räumungstermine österreichweit verhindert. Die Hälfte aller betroffenen Haushalte mit Kindern seien Alleinerziehende. „Armut ist weiblich und hat Kinder“, sagt Wehsely.

Der Wohnschirm unterstützt bei Rückständen bei Miete oder Betriebskosten. So erhält ein Ein-Personen-Haushalt maximal 660 Euro, ein Zwei-Personen-Haushalt bis zu 1060 Euro und ein Drei-Personen-Haushalt 1460 Euro. Anspruchsberechtigt sind Menschen aus dem unteren Einkommensdrittel. Oft bekomme man die Lage mit einem Haushaltsplan wieder in den Griff.

Laut Sozialministerium wurden die finanziellen Mittel für den Wohnschirm von 24 Millionen auf 134 Millionen Euro bis 2026 aufgestockt. Österreich knausert keineswegs: Unter den OECD-Staat gibt es neben Frankreich und Italien am meisten für Sozialausgaben aus.

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