Vor heiklen Personalrochaden

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Basis fordert bei anstehenden Bischofsernennungen Mitsprache ein. Jüngste Entscheidungen beschleunigten Austrittswelle. Mit 15.103 Personen stieg der Wert bei den Kirchenaustritten im Vergleich zu 2009 um 70Prozent.

Wien/Graz/Hoe. Die Geburtstagsfreuden sind einigermaßen getrübt: Einen Tag vor seinem 75.Geburtstag heute, Mittwoch, musste Egon Kapellari auch in seiner steirischen Diözese Graz-Seckau einen neuen Rekord bei den Kirchenaustritten kommentieren: Mit 15.103 Personen stieg dieser Wert im Vergleich zu 2009 um 70Prozent. „Es tut sehr weh“, gesteht der Diözesanbischof.

In seinem mehrfachen Jubiläumsjahr – 50-Jahr-Priesterjubiläum, vor 30 Jahren Ernennung zum Bischof von Gurk, vor zehn Jahren zum Bischof von Graz-Seckau – hat er seiner Diözese daher eine „mutige und offene“ Kommunikations- und Gesprächsoffensive mit der Basis verordnet. Proaktiv tritt er mit Regionalgesprächsterminen Ende Jänner jenen kritischen Stimmen aus Laienorganisationen gegenüber, die Mitte Dezember zum wiederholten Mal von Rom mehr Mitsprache des Kirchenvolks bei Bischofsernennungen eingefordert hatten. Nach einer vatikanischen Rüge hat der ehemalige ÖVP-Politiker und Ex-Volksanwalt Herbert Kohlmaier den ihm vor 16 Jahren verliehenen päpstlichen Gregorius-Orden demonstrativ zurückgegeben. Das Klima zwischen Basis und Amtskirche bleibt damit angespannt. Kapellari hat jedenfalls anlässlich seines 75.Geburtstags statutengemäß dem Papst seinen Rücktritt angeboten. Der Zeitpunkt einer Entscheidung über eine Nachfolge oder Verlängerung der Amtszeit steht aber noch nicht fest. Alles andere als eine Verlängerung der Amtszeit Kapellaris wäre eine Sensation. Ebenfalls noch heuer wird der Vorarlberger Bischof, Elmar Fischer, 75. Seine Nachbesetzung gilt als besonders sensibler Fall, hat Fischer sich mit umstrittenen Aussagen zu Missbrauchsfällen doch den nachhaltigen Unmut der Basis zugezogen – sichtbargemacht an den aktuellen Austrittszahlen in der Diözese Feldkrich, die von 2515 auf 4709 angestiegen sind.

Erst im September war eine Bischofsernennung Anlass für heftige Kritik der Basis. In Eisenstadt wurde Ägidius Zsifkovics als Nachfolger Paul Ibys Bischof. Als Reaktion auf die umstrittene Entscheidung Roms ist die Zahl der Kirchenaustritte im Burgenland dramatisch angestiegen: Nachdem man 2009 erstmals mehr als 1000 Austritte zu verbuchen hatte, waren es im vergangenen Jahr mit 1971 fast doppelt so viele.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2011)

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