Kaczynski-Absturz: Witwe verteidigt polnischen General

File photo of Russian serviceman standing guard near part of the wreckage of a Polish government Tupo
File photo of Russian serviceman standing guard near part of the wreckage of a Polish government Tupo(c) REUTERS (Sergei Karpukhin)
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"Sie machen ihn zum Sündenbock": Die Frau des Luftwaffenchefs glaubt nicht, dass ihr Mann betrunken die Piloten unter Druck gesetzt hat. Polen will indes neue Hinweise für eine mögliche Mitschuld Russlands veröffentlichen.

Die Witwe des in Zusammenhang mit dem Flugzeugunglück von Smolensk beschuldigten Luftwaffenchefs Andrzej Blasik hat die Vorwürfe gegen ihren verstorbenen Mann zurückgewiesen.

"Mein Mann wird zum Sündenbock gemacht"

"Die russischen Ermittler haben meinen Ehemann zu Unrecht zum Sündenbock gemacht und diffamiert", sagte Ewa Blasik am Donnerstag in Warschau. Sie glaube nicht, dass ihr Mann bei dem Absturz im April vergangenen Jahres betrunken gewesen sei.

Die russische Untersuchungskommission hatte am Mittwoch ihren offiziellen Abschlussbericht zu dem Unglück veröffentlicht.  Laut dem Papier soll der Kommandant mit 0,6 Promille Alkohol im Blut die Piloten zu einer Landung gedrängt haben.

Die Hauptschuld an dem Absturz, der Polens Präsident   Lech Kaczynski und 95 das Leben kostete, geben die Ermittler der Flugzeug-Besatzung selbst. Warschau will auf den "unvollständigen Bericht" mit der Veröffentlichung der Fluglotsen-Gespräche am Airport in Smolensk antworten. Die Aufzeichnungen erhärten nach Ansicht des Ministers den Verdacht einer möglichen Mitschuld der russischen Seite an dem drama.

"Ich bestreite diese These nicht"

Innenminister Miller betonte am Mittowch, dass die polnische Regierung die Hauptthese der russischen Untersuchungskommission nicht bestreitet, wonach die polnischen Piloten Verantwortung für das Flugzeugunglück tragen.

Die Regierung werfe Russland jedoch vor, eine mögliche Mitschuld der russischen Seite nicht untersucht zu haben. Denn erstens, so die polnische Argumentation, hätte der Flughafen eine Landung in Smolensk untersagen können. Zweitens hätten die Fluglotsen dem Flugzeug bis kurz vor dem Absturz signalisiert, es befinde sich auf dem richtigen Kurs."Was offenbar nicht den Tatsachen entsprochen hat", so Miller.

Ein Unbekannter bestand auf die Landung?

Die Gespräche im Tower am Flughafen in Smolensk belegen nach Ansicht des Ministers, dass die Fluglotsen "bei ihren Entscheidungen nicht selbstständig" gehandelt hätten. Der Fernsehsender TVN24 veröffentlichte dazu Auszüge aus einem Bericht von Edmund Klich, dem polnischen Vertreter bei der russischen Untersuchungskommission. Daraus eht hervor, dass der Vorgesetzte der Fluglotsen in Smolensk mit einer unbekannten Person in Moskau telefonierte, die offenbar auf einem Landeversuch des Flugzeuges trotz schlechter Wetterverhältnisse bestand.

Die polnische Öffentlichkeit wusste bisher nicht, dass Polen über die Aufzeichnungen aus Smolensk verfügt. Sie habe sie trotz Anfrage auf offiziellem Weg nicht aus Moskau erhalten, sagte Innenminister Miller. Wie Warschau dennoch an die Aufzeichnungen kam, erklärte der Minister nicht.

Belastungsprobe für bilaterale Beziehung

Beobachter warnen, dass die polnisch-russische Auseinandersetzung um den Abschlussbericht die Beziehungen der beiden Länder verschlechtern könnte. Der Bericht "schafft neue Konfliktfelder", kommentierte etwa die Zeitung "Dziennik Gazeta Prawna" am Donnerstag und riet, "hartnäckig auf Antworten auf unsere Fragen zu bestehen". Die Zeitung "Rzeczpospolita" weist darauf hin, dass der polnische Premierminister Donald Tusk Russland bei der Aufklärung des Unglücks vertraut und "mit dieser Strategie eine Niederlage" erlitten habe.

Flugzeug-Unglück in Polen

Bei dem Flugzeugunglück am 10. April 2010 waren der damalige polnische Präsident Lech Kaczynski sowie alle 95 weiteren Passagiere ums Leben gekommen. Unter ihnen waren zahlreiche Abgeordnete und die gesamte Armeeführung. Die Delegation war unterwegs zu einer Trauerfeier für die 1940 vom sowjetischen Geheimdienst NKWD bei Katyn getöteten polnischen Offiziere und Zivilisten.

(APA/Red.)

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