Artenschutz

Erst Wale beobachten, dann Wasserproben nehmen

 Wer in europäischen Gewässern Wale beobachtet (im Bild: Finnwal bei den Azoren), kann dabei künftig auch Gutes für die Wissenschaft tun, nämlich Umwelt-DNA sammeln.
Wer in europäischen Gewässern Wale beobachtet (im Bild: Finnwal bei den Azoren), kann dabei künftig auch Gutes für die Wissenschaft tun, nämlich Umwelt-DNA sammeln.(c) ullstein bild via Getty Images (ullstein bild)
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Meeresverschmutzung und industriell betriebener Walfang ließen die Bestände vieler Walarten empfindlich schrumpfen. Um Schutzgebiete besser definieren zu können, braucht es mehr Wissen. Nun sollen Laien beim Aufbau eines Monitorings mittels Umwelt-DNA helfen.

Alles nahm seinen Anfang in den 1950er-Jahren in Kalifornien, wo die ersten kommerziellen Walbeobachtungstouren starteten. Das Geschäft boomte– und verbreitete sich in den folgenden Jahrzehnten weltweit. Mittlerweile wird Whale Watching in 87 Ländern an insgesamt rund 500 Orten angeboten. Kein Wunder. Wer jemals das Glück hatte, die majestätischen Tiere in freier Wildbahn zu beobachten, spürt den Zauber.

Ein Zauber, der in den meisten Fällen allerdings einseitig ist. Der Waltourismus hat mitunter gravierende Auswirkungen auf die Meeressäuger. Angefangen von kurzfristigen Störungen, wenn Boote Gruppen trennen oder der Schall der Motoren die Kommunikation der Tiere irritiert, bis hin zu langfristigen Veränderungen wie Rückgang der Populationen, Abwanderung oder Stress, was die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten erhöhen kann.

Ein internationales Forschungsteam macht jetzt aus der Not eine Tugend und bittet Menschen auf Walbeobachtungstouren um Mithilfe beim Aufbau eines Monitorings. Geleitet wird das Projekt „eWhale“ von der Molekularbiologin Bettina Thalinger von der Uni Innsbruck. Es soll detailliertes Wissen über Wale in europäischen Gewässern liefern. Denn um die Tiere ebenso wie andere bedrohte marine Arten wirksam zu schützen, müssen freilich auch ihre Lebensräume bewahrt werden.

Monitoring ganz ohne Gewebeproben

Ein Ziel der Biodiversitätsstrategie 2030 der EU lautet, mindestens 30 Prozent der europäischen Land- und Meeresgebiete in Schutzgebiete umzuwandeln. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Datengrundlage, zu der „eWhale“ mit Forschenden aus Österreich, Portugal, Frankreich, Italien, Irland, Norwegen und Island in Kooperation mit Wirtschaftspartnern und interessierten Bürgerinnen und Bürger beitragen will.

„Bei manchen Walarten lassen sich Individuen anhand von äußerlichen Merkmalen nicht voneinander unterscheiden“, sagt Thalinger. „Gewebeproben von Walen sind schwierig zu bekommen und eignen sich daher nicht für ein weitreichendes Monitoring.“ Eine erfolgversprechende Methode, um Arten, Familienverbände oder sogar einzelne Individuen zu identifizieren und mehr über ihre Lebensweise zu erfahren, ist die Analyse der in Wasserproben enthaltenen Umwelt-DNA (E-DNA) mittels molekularer Methoden. Ein Ansatz, zu dem Thalinger unter anderem während eines mehrjährigen Forschungsaufenthalts an der University of Guelph (Kanada) intensiv gearbeitet hat. Gemeinsam mit dem Zoologen Michael Traugott kümmert sie sich an der Uni Innsbruck um die Auswertung der Proben, für deren Entnahme die Projektpartner zuständig sind. Unterstützung gibt es von französischen, irischen und norwegischen Laboren.

Die Laien werden ab April ins Boot geholt. „Die Probeentnahme ist einfach und soll während der Walbeobachtungsfahrten durchgeführt werden“, erklärt Thalinger. „Mit den Touranbietern wollen wir den Citizen-Science-Aspekt einbringen.“ Die Forscherin hofft, auf diese Art und Weise eine hohe Anzahl an Proben über eine große räumliche Distanz – von den Azoren bis nach Island – zu erhalten. Gleichzeitig kann das Projekt dadurch mehr Bewusstsein für den Schutz mariner Lebensräume schaffen. „Aus den ersten Ergebnissen der ausgewerteten Proben entwickeln wir dann eine Monitoring-Strategie“, so Thalinger. „Unser Traum ist, dass wir letztendlich einzelne Individuen über die E-DNA-Spuren genau verfolgen können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2023)

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