Erdbeben

Türkei: Baby aus den Trümmern gerettet

Verzweifelte Suche nach Überlebenden. In der Stadt Kahramanmaraş bargen israelische Soldaten ein 14-jähriges Mädchen.
Verzweifelte Suche nach Überlebenden. In der Stadt Kahramanmaraş bargen israelische Soldaten ein 14-jähriges Mädchen. REUTERS
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Die vereinzelte Rettung von Verschütteten hält die Hoffnung von Angehörigen und Rettungsteams am Leben. In der Türkei und in Syrien sind bisher rund 22.000 Tote zu beklagen.

Ankara. „Jetzt glaube ich an Wunder.“ Das sagte Steven Bayer, der Leiter des Rettungsteams, nachdem die Einsatzkräfte in der Stadt Kirikhan die 40-jährige Zeynep Kahraman unter Jubel auf einer Trage an zertrümmerten Betonblöcken und verbogenen Metallresten vorbei in einen Krankenwagen gehoben hatten.

Mehr als 100 Stunden nach dem Erdbeben in der Türkei haben deutsche Helfer eine verschüttete Frau aus den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes gerettet. „Man kann sehen, wie die Menschen weinen und sich umarmen. Es ist eine riesige Erleichterung, dass diese Frau unter diesen Bedingungen so gesund herausgekommen ist. Das ist ein absolutes Wunder“, sagte Bayer.

Die Frau lag regungslos auf der Trage, die Arme auf der Brust verschränkt, die Augen durch eine Brille vor dem plötzlichen Licht geschützt. Ihre jüngere Schwester schaute zu und umarmte einen Mitarbeiter der deutschen Hilfsorganisation International Search and Rescue (ISAR). Zwei Tage hatte die Familie in der Provinz Hatay ausgeharrt, bis die ausländischen Helfer eintrafen.

„Inschallah“, riefen die Helfer in Samandağ, ebenfalls in Hatay, als sie am Freitag eine Frau und ihr zehn Tage altes Baby aus den Trümmern zogen und und in ein Feldspital brachten. In mehreren Dörfern und Städten des Katastrophengebiets wurden bei der verzweifelten Suche nach Überlebenden unter großem Beifall noch Menschen gerettet. Das stärkt die Moral der Suchteams und hält die Hoffnung der Angehörigen aufrecht, die seit Montag früh um das Leben von Verwandten, Freunden und Nachbarn bangen.

Besuch Assads in Aleppo

Vier Tage nach den verheerenden Erdbeben in der Grenzregion zwischen der Türkei und Syrien ist die Zahl der Toten indessen auf über 22.000 gestiegen. In der Türkei wurden bis Freitagnachmittag fast 19.000 Leichen gezählt, wie Präsident Recep Tayyip Erdoğan mitteilte. Mehr als 74.000 Menschen erlitten Verletzungen. In Syrien meldeten die Behörden 3300 Tote.

In der Türkei sind 7000 ausländische Helfer aus 61 Ländern im Einsatz, gab das Außenministerium in Ankara bekannt. Insgesamt erhielt die Türkei Unterstützung durch Hilfslieferungen aus 97 Ländern.

In Syrien reiste Machthaber Bashar al-Assad erstmals ins Katastrophengebiet. Er besuchte ein Krankenhaus in Aleppo. In Syrien ist der Hilfseinsatz besonders schwierig. Im Land tobt seit fast zwölf Jahren der Bürgerkrieg. Zur Erdbebenkatastrophenregion zählen Landesteile, die von der Regierung kontrolliert werden, aber auch Rebellengebiete. Viele Häuser waren wegen der jahrelangen Kampfhandlungen schon vor den Erdstößen beschädigt.

Forderung nach Waffenruhe

Am Freitag trafen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 14 Lkw mit Hilfsgütern im Norden Syriens ein. Doch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen warnte, dass seine Lagerbestände im Nordwesten Syriens zur Neige gingen. 90 Prozent der Bevölkerung sind dort auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Der Chef der Weißhelme hatte beklagt, dass im Nordwesten bisher keine UN-Hilfe angekommen sei. Die UNO hat unterdessen einen sofortigen Waffenstillstand in Syrien gefordert, um Hilfseinsätze für die Opfer zu erleichtern.

Insgesamt sind nach UNO-Angaben rund 25 Millionen Menschen von der Katastrophe betroffen. Unzählige Menschen müssen bei eisigen Temperaturen im Freien oder in Zeltnotlagern ausharren. Vielerorts mangelt es an Lebensmitteln, Trinkwasser und funktionierenden Toiletten.

In der Türkei sieht sich inzwischen Erdoğan mit immer größerer Wut der Bevölkerung konfrontiert. Viele werfen ihm und den Behörden vor, viel zu langsam und unzureichend auf die Katastrophe reagiert zu haben. Bei den Wahlen im Mai könnte das eine entscheidende Rolle spielen. Der Präsident gab zu, dass die Hilfe nicht so schnell geleistet werde, wie dies die Regierung wolle.

(Reuters/AFP/dpa)

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