St. Pölten

Haus der Geschichte: Mit 7000 Traktoren ins Rote Wien

„Streik, Protest und Eigensinn“ ist der Untertitel der Ausstellung in St. Pölten.
„Streik, Protest und Eigensinn“ ist der Untertitel der Ausstellung in St. Pölten. Daniel Hinterramskogler
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Das niederösterreichische Haus der Geschichte zeigt eine dichte, interessante Ausstellung namens „Aufsässiges Land“ – und spart nicht mit Kritik an der Sozialdemokratie. Die Zeit zwischen 1934 und 1938 fehlt dagegen.

Von „Bauernpanzern“ sprach der sozialdemokratische Bundeskanzler Bruno Kreisky, als niederösterreichische Bauern am 19. März 1971 mit 7000 Traktoren in Wien anrückten. Protestierer aus dem „schwarzen“ Niederösterreich, maßgeblich organisiert von der ÖVP-Teilorganisation Bauernbund, demonstrieren im „roten“ Wien gegen eine seit kaum einem Jahr amtierende SPÖ-Regierung: Keine Frage, dass dieses Motiv in einer Ausstellung des niederösterreichischen Hauses der Geschichte zum Thema „Aufsässiges Land“ nicht fehlen darf.

Dabei wird das Thema in der von einem Team um Direktor Christian Rapp gestalteten Sonderausstellung durchaus breit behandelt. Es gehe um Proteste im ländlichen Raum, der zu oft als politisch passiv betrachtet werde, sagt der Begleittext. Was die Frage nahelegt: Was ist ländlicher Raum? Fallen nur Dörfer darunter oder auch kleine Städte? Man hat sich in St. Pölten für eine weite Definition entschieden, rechnet sogar Wiener Neustadt dazu. Gerade nicht Wien halt. Womit das Spektrum der behandelten Proteste sehr groß wird.

Einerseits werden Bauernaufstände geschildert, beginnend mit dem Arzt und Politiker Hans Kudlich, der für die Befreiung der Bauern aus der Grundherrschaft kämpfte und im Wiener Oktoberaufstand 1848 die niederösterreichischen Bauern zum bewaffneten Eingreifen aufforderte. Auch der Widerstand der Bauern 1920 gegen die „Requirierung“ von Lebensmitteln für die Stadt fällt in diese Tradition, genauso wie die genannte Traktordemonstration 1971. Und irgendwie auch der Streit um die landwirtschaftlichen Saisonarbeiter in den 1920er-Jahren. Diese Arbeitskräfte, meist aus der Tschechoslowakei, lebten in Österreich unter schlechten Bedingungen – und wurden, da sie tendenziell billiger als Einheimische waren, auch dazu ausgenützt, das Lohnniveau zu senken. Was eher als etwaige rassistische Tendenzen erklärt, warum manche Sozialdemokraten damals gegen „Slowakisierung“ und „Verausländerung“ agitierten.

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