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Selbst der Kapitän wird manchmal seekrank

Auch die See­­festesten an Bord kann mitunter die Seekrankheit ­erwischen. Oft kommt die Übelkeit ganz plötzlich.
Auch die See­­festesten an Bord kann mitunter die Seekrankheit ­erwischen. Oft kommt die Übelkeit ganz plötzlich.Unsplash (Osama Saeed)
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Unterwegs wird Menschen manchmal übel. Interessant: Keiner ist davor gefeit.

Einmal vertraute mir der Kapitän eines Kreuzfahrtschiffs ein Geheimnis an: Auch erfahrene Seeleute würden gelegentlich seekrank. Natürlich nicht so oft wie Menschen mit diesbezüglicher Neigung, die Schiffe bereits mit gelb-grünem Gesicht und einer Überdosis Travelgum-Tabletten besteigen. Aber auch den Profis, jahrelang durch Stürme erprobt, ginge es gelegentlich – aus unerfindlichen Gründen – plötzlich schlecht. Unter seinen Mitarbeitern sei das ein Tabuthema. Sie würden von „verdorbenem Magen“ sprechen, was an sich schwer sein könne, denn die hygienische Situation werde auf großen Schiffen aus naheliegenden Gründen penibler kon­trolliert als jede Kapitänsuniform. Selbst ihm sei, bei moderatem Wellengang und ohne Vorwarnung, das eine oder andere Mal übel geworden. Das gehöre zur ­Seefahrt.

Die psychische Komponente mag für Reisekrankheiten eine gewisse Rolle spielen. Manche Leute müssen nur ein schaukelndes Schiff im TV sehen – und kotzen schon beinahe. Klar können ­solche Individuen selbst Flugreisen nur unter Tablettengaben bestreiten. Für sie erfand man jene Speibsackerl, die in alten Lauda-Air-Maschinen noch die ­hübsche Aufschrift „Speibsackerl“ ­trugen und die zum Entsetzen mut­maßlicher Motion-Sickness-Opfer in den modischen Airlines (siehe Ryanair) heutzutage nicht mehr in der Plastiktasche vor dem Sitz verstaut sind. Solche Linien setzen auf den Zeitgeist. Modernes ­Reisen soll cool und fröhlich sein, ­niemand soll sich durch ein Speibsackerl zu irgendwelchen schrägen Aktionen ­animiert fühlen, vor denen der ­Allgemeinheit ekelt.

Ich selbst erlag der Reisekrankheit einst auf einem Schiff, auf dem ich bei hohem Wellengang als einer der letzten Passagiere – die anderen hatten sich wohlweislich zurückgezogen – auf Deck he­­rumstolzierte. Wenn man den Horizont kurze Zeit aus den Augen lässt, kommt die Sache sehr schnell. Auch Berg­straßen brachten mich gelegentlich in Gefilde der Übelkeit. In Flugzeugen wurde mir bisher noch nie schlecht – ich nahm die Speibsackerl immer mit nach Hause. Sie sind wasserdicht und eignen sich perfekt als Jausensackerl. 

("Die Presse Schaufenster" vom 03.02.23)

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