23 Jahre lang regierte Tunesiens Präsident Ben Ali mit harter Hand. Doch schließlich packte ihn selbst die Angst.
Keine Regung im Gesicht, ein starrer, ausdrucksloser Blick, monotone Stimme: So trat Tunesiens Staatspräsident Zine el-Abidine Ben Ali (74) inmitten des schlimmsten Aufruhrs seiner Amtszeit vor die Kameras. Sein stark geschminktes Gesicht glich einer Maske. Dahinter verbarg sich Angst. Erst ließ er die Polizeiknüppel niedersausen und auf Demonstranten schießen. Als dies nichts half, machte er ein Zugeständnis nach dem anderen, versprach Neuwahlen, entließ Minister und schließlich die ganze Regierung. Doch sein Volk konnte er nicht mehr beruhigen, es marschierte weiter. Am Freitag ergriff der autoritäre Staatschef schließlich die Flucht.
23 Jahre lang hatte Ben Ali das Land mit eiserner Hand regiert. Er umgab sich mit einem Kult, noch im kleinsten Café hingen Fotos von ihm. Doch in den vergangenen Tagen und Wochen gingen sie an allen Ecken und Enden des Landes in Flammen auf. Ein geradezu unerhörter Vorgang. Offenbar hatten die 10,5 Millionen Tunesier ihre Angst vor Ben Ali und seinem berüchtigten Unterdrückungsapparat verloren. „Wir haben nichts mehr zu verlieren“, sagte ein Oppositionssprecher.
Vom Geheimdienstchef zum Putschisten
Seit 1987 war der 74-jährige General an der Macht, baute in dieser Zeit das frühere französische Protektorat und das heutige Urlaubsparadies zu einem Polizeistaat aus. Ein Wüstenreich, in dem unbequeme Oppositionelle, Menschenrechtler und kritische Journalisten ins Gefängnis gesteckt oder ins Exil getrieben wurden. In dem es lange Zeit niemand mehr wagte, offen seine Meinung zu sagen.
Ben Ali wusste, wie man ein Volk knechtet und die Opposition zum Schweigen bringt. Schließlich hatte er dieses schmutzige Handwerk von der Pike auf gelernt und schon praktiziert, bevor er sich 1987, nach einem unblutigen Putsch, selbst zum Präsidenten machte. 1964, mit 28 Jahren, wurde der ehrgeizige Offizier schon Chef des militärischen Geheimdienstes. 1978 stieg er an die Spitze des alles kontrollierenden Staatsicherheitsdienstes auf, lernte, wie man Aufstände brutal niederschlägt. 1986 wurde der bewährte Geheimdienstler dann Innenminister, 1987 Regierungschef.
Schon wenige Monate später ließ er den greisen Präsidenten Habib Bourguiba per Attest „amtsunfähig“ schreiben, übernahm endgültig die Macht im Staat und in der Staatspartei „Demokratische Verfassungsbewegung“ (RCD). Statt auf die anfangs versprochene Demokratisierung setzte er auf politische Gleichschaltung. Ließ sich fünfmal mit 90 Prozent der Stimmen oder mehr zum Staatschef küren. Suchte enge Beziehungen zur EU, lockte die europäische Textilindustrie mit Dumping-Stundenlöhnen ins Land und baute sein Mittelmeerreich zum Touristenparadies aus.
Am Freitag brach sein Herrschaftssystem wie ein Kartenhaus zusammen.