Die Ich-Pleite

Wahrscheinlich ist es Stress

Carolina Frank
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Wenn man ein Problem hat, tröstet es einen ja oft, dass es andere auch haben. Das gehört vielleicht zu den weniger vernünftigen Eigenschaften des Menschen.

Wer Schlafprobleme hat, ist derzeit jedenfalls nicht allein. Die Umsätze bei Schlafmitteln sind während der Coronapandemie um 40-50 Prozent gestiegen. Meine Ärztin hält das für einen Skandal. "Wenn Sie glauben, dass ich Ihnen Schlafmittel verschreibe, können Sie gleich wieder gehen", sagt sie. Denn das sei nur Symptombekämpfung. Man müsse das Problem bei der Wurzel packen. Und die Wurzel könne alles Mögliche sein. Sie wirft mir einen prüfenden Blick zu. "Zum Beispiel Hormonschwankungen. Oder Schlafapnoe. Oder Restless Legs." Ich schaue erschreckt. Dafür gäbe es Schlaflabors, sagt sie. Aber gut. Im Moment nähmen sie im AKH keine neuen Patienten mehr auf.

Überlastung. "Sind Sie ständigem Lärm ausgesetzt?", will die Ärztin wissen. "Wohnen Sie an einer stark befahrenen Straße oder...?" "Oder" führt sie nicht aus, aber vielleicht denkt sie an einen Partner, der schnarcht. "Schön wär's", sag ich. "Na gut", meint sie. "Wahrscheinlich ist es Stress." Man könne eine Psychotherapie machen, meint sie zweifelnd. Ich nicke zweifelnd. Wahrscheinlich denken wir dasselbe: So lang kann ich nicht warten. Die Ärztin spitzt die Lippen und und lässt den Blick durch die Ordination schweifen. "Machen Sie doch autogenes Training!" "Hab ich schon probiert", sage ich. "Atemübungen?" "Mhm", mache ich. Sie klopft nervös mit dem Kugelschreiber auf den Tisch. "Baldrian? Passionsblumen?" Ich schüttle den Kopf. "Na gut", knurrt sie, "dann probieren Sie es einmal mit Antihistaminika." Vielleicht hat sie auch noch gesagt: "Bei mir wirkt das am besten." Aber da kann ich mich auch getäuscht haben.

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("Die Presse Schaufenster" vom 17.03.23)

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