Musikverein

"Alpensymphonie": Angestrengtes Bergsteigen mit Richard Strauss

Bei der "Alpensymphonie" fehlte es dem Swedish Radio Symphony Orchestra unter Daniel Harding an Weite und Finesse, bei raren Schumann-Werken an existenzieller Dramatik.

Bergsteigen kann ziemlich fordernd sein. Das zeichnet Richard Strauss in seiner fast einstündigen "Alpensymphonie" nach. Umstritten ist diese symphonische Dichtung bis heute. Zu wenig Substanz, zu viel Plakativität beklagen die einen. Andere weisen auf die ausgeklügelte Struktur, vor allem die glänzende Instrumentation hin. Strauss selbst erklärte, dass er "am liebsten die Alpensymphonie" dirigiere. Wenn sie heute ein Dirigent - wie nun Daniel Harding mit seinem Schwedischen Radiosymphonieorchester - aufs Programm setzt, muss er sicher sein, dass sein Orchester über all den Glanz, die weitgespannte Dynamik verfügt, um den weiten Fluss dieser Tondichtung mit Selbstverständlichkeit nachzuzeichnen. Fähigkeiten, die nur allererste Klangkörper besitzen.

Genau darin lag das Manko dieser Aufführung. Zwar ließ Harding nie Zweifel, wie er sich das eine oder andere Detail von seinen Musikern wünschte, stürzte sich anfangs mit ihnen auch mit viel Elan in diese Aufgabe. Aber bald trübten Präzisionsmängel und orchestrale Unzulänglichkeiten diese Darstellung. Letztlich fehlte es ihr gleichermaßen an packender Weite wie subtiler Finesse. Immerhin versuchte Harding mit seiner analytischen, auf Natürlichkeit der Übergänge zielenden Lesart alles, um diese symphonische Dichtung nicht in die Nähe einer sich in billigem Effekt aalenden Filmmusik zu bringen.

Wo blieb der nächtliche Schrecken?

Der erste Teil des Konzerts war ausschließlich Schumann gewidmet. Und zwar Werken, die man nur selten im Konzertsaal erlebt. Dabei ahnte Schumann mit seinem auf einem Text von Friedrich Hebbel basierenden "Nachtlied" bereits Wagners "Tristan" voraus. Und sein dreiteiliges dramatisches Gedicht "Manfred" nach einem Text von Lord Byron in der deutschen Übertragung von Karl Adolf Suckow beweist seine genuine musikdramatische Ader. Nur muss man das alles entsprechend zu wecken wissen, wie es 2021 Sir John Eliot Gardiner bei den Salzburger Festspielen exemplarisch vorgezeigt hat.

Verglichen damit erwies sich Harding als geradezu zögerlich. Dass in beiden Texten existenzielle Themen angesprochen werden, konnte er mit seiner Interpretation ebenso wenig deutlich machen wie die Verzweiflung, die sich in Manfred immer stärker breitmacht. Über eine "schreckliche Nacht" schrieb Schumann selbst in sein Tagebuch. Dieses Grauen, diese Tiefe demonstrierte Cornelius Obonya mit seiner eindringlichen Darstellung sämtlicher Sprechrollen. Bei ihm spürte man, worum es da wirklich geht. Aber auch der beim "Nachtlied" wie bei "Manfred" mitwirkende, gewohnt exakt und feinfühlig agierende Wiener Singverein zeigte sich in Schumanns komplexer, geheimnisvoller romantischer Welt mehr zu Hause als die schwedischen Radiosymphoniker.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.