Wort der Woche

Bedenklicher Technologie-Wettlauf

Der Technologie-Wettlauf zwischen den Großmächten USA, EU und China nimmt in den Augen der OECD bedenkliche Ausmaße an.

Technologien sind der Stoff, aus dem Prosperität und Macht gestrickt sind. So darf es nicht überraschen, dass die drei größten Wirtschafts- und Machtblöcke – USA, Europa und China – mehr als zwei Drittel aller Investitionen in Forschung und Entwicklung auf sich vereinen. Klare Nummer eins ist mit einer Forschungsquote von 3,46 Prozent des BIPs die USA; auf Platz zwei folgt China (2,45 Prozent), das vor acht Jahren die EU (2,15 Prozent) überholt hat. Ähnlich ist das bei Patentanmeldungen, und bei der Zahl der Forschenden und von wissenschaftlichen Publikationen führt China mittlerweile sogar.

China habe in den letzten zwei Jahrzehnten immer ausgefeiltere technologische Fähigkeiten erworben und sei bereits Marktführer in Bereichen wie z. B. 5G, Batterien, Verarbeitung seltener Erden oder Fotovoltaik, führen Experten der OECD im eben veröffentlichten „Science, Technology and Innovation Outlook 2023“ aus. Durch diesen Aufholprozess sei „eine Ära des verschärften strategischen Wettbewerbs eingeläutet“ worden.

Wettbewerb um die jeweils besten Technologien gab es in der Menschheitsgeschichte schon immer. Gleichzeitig war aber auch klar, dass das Teilen von Erkenntnissen für alle Beteiligten vorteilhaft ist. So bildete sich ein Gleichgewicht zwischen den beiden Polen Wettbewerb und Kooperation heraus.

Doch wie die OECD feststellt, verschiebt sich dieses Gleichgewicht zurzeit komplett. Zum einen machten die aktuellen Krisen (Corona, Ukraine etc.) deutlich, wie stark alle Großmächte von anderen Teilen der Welt abhängig sind; daher werden allerorts Maßnahmen zur Steigerung von Autonomie, Sicherheit und technologischer Souveränität ergriffen – von blankem Protektionismus bis hin zu strategischen Investitionen in (militärische und zivile) Schlüsseltechnologien und in die Inlandsproduktion. Zum anderen sorgt die zunehmende Rivalität zwischen USA und China für immer lauteres Knirschen im Gebälk des Weltsystems.

Die OECD konnte diese Entwicklung nun auch in Zahlen festmachen: Die Anzahl der gemeinsamen Publikationen von Forschenden aus den USA und China ist, nach Jahrzehnten des Wachstums, seit drei Jahren wieder rückläufig. Das bereitet den Experten Sorge: Diese Entkopplung könnte insgesamt zu einer Schwächung der Aktivitäten in Wissenschaft und Technologie führen, befürchten sie – und das just „in einer Zeit, in der die globalen Herausforderungen mehr denn je eine internationale Zusammenarbeit erfordern“.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2023)

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