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Pyramiden auf Teneriffa

Rätsel. Was ist das auf Teneriffa? Sind die rechteckigen Hochflächen aus unbehauenem Lavagestein, verbunden ohne Mörtel, denn Pyramiden?
Rätsel. Was ist das auf Teneriffa? Sind die rechteckigen Hochflächen aus unbehauenem Lavagestein, verbunden ohne Mörtel, denn Pyramiden? (c) Public Domain
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256. Thor Heyerdahls romantische Pyramidentheorie auf Teneriffa: Volksbildung, aber ohne Seriosität.

Ein bisschen beeindruckend sind sie schon, die „Pyramiden“ von Güímar im Süden Teneriffas. Es sind weniger Pyramiden als sechs rechteckige Hochflächen aus unbehauenem Lavagestein, verbunden ohne Mörtel. Die „magisch-mythische“ Aufladung dieser Bauwerke erschließt sich dennoch nicht so leicht. Dazu brauchte es den norwegischen Geografen, Anthropologen und Zoo­logen Thor Heyerdahl (1914–2002).

In den 1990ern stellte er die Theorie auf, die „Pyramiden“ seien von vorzeit­lichen ägyptischen Sonnenanbetern bei einer Zwischenstation auf ihrem Weg nach Mittelamerika zu den Mayas errichtet worden, während der Epoche der kanarischen Urbevölkerung, der Guanchen. Solche Spekulationen passten in sein Schema möglicher Frühkontakte alter Kulturen. Selbst als Forscher via Grabungsergebnissen nachwiesen, dass die Pyramidenstruktur aus dem 19. Jahrhundert stammte, beharrte er auf seiner Hypothese. Die Abneigung Heyerdahls gegenüber den universitären Eierköpfen und die Humorlosigkeit der Stuben­hocker-Professoren gegenüber dem ­charismatischen Abenteurer liegen auf der Hand.

Noch beeindruckender ist, wie unkritisch und heyerdahlromantisch das Museum sich präsentiert. Die Idee des Norwegers wird trotz knapper diesbezüglicher Anmerkungen nie wirklich entkräftet, wohl aus touristischen Erwägungen. Trotzdem, allein aus zeithistorischen Gründen gehört Güímar zu den Lehrbeispielen, wie man volksbildnerische Ausstellungen nicht macht. Die hoffnungslos überschilderte Anlage ­deutet überdies den Genozid an den Guanchen durch spanische Christen als rechtschaffenes Gotteswerk.
Bis ins 20. Jahrhundert hatten sich auf Teneriffa einige pyramidale Strukturen erhalten, mit Mystik haben sie wenig zu tun, eher schon mit Landwirtschaft. Einige sagen, die Ausbeutung der Cochenilleschildlaus („cochinilla“), einer Landassel, habe mit den Bauwerken zu tun. Aus deren Weibchen wurde der natürliche Farbstoff Karmin gewonnen. Da die Schildlaus Kaktusfeige liebte, grub man für ihren Anbau sämtliche Lavasteine aus dem Boden und türmte sie geordnet aufeinander. Der Zweck dieser „Pyramiden“? Ein Mythos! 

("Die Presse Schaufenster" vom 31.03.23)

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