Wort der Woche

Nachhaltige Raumfahrt mit Mikroorganismen

Forschende machen sich Gedanken, wie eine nachhaltige Raumfahrt aussehen könnte – und zwar mithilfe von Mikroorganismen.

Die Raumfahrt ist keine allzu umweltfreundliche Technologie. Das beginnt schon beim Start gen Himmel, der sehr viel Energie benötigt, um der Anziehungskraft der Erde zu entkommen. Das Verbrennen des Raketentreibstoffs verursacht rund 400 bis 600 Tonnen CO2 pro Raketenstart, dazu kommen hohe Ruß-, Kohlenmonoxid- und Stickoxid-Emissionen. Aber auch im Orbit beeinflussen Raumschiffe ihre Umgebung – nicht nur als Weltraumschrott am Ende der Lebensdauer. So verursacht etwa der Betrieb der Internationalen Raumstation ISS viele Emissionen: Heutige Life-Support-Systeme trennen CO2 aus der Kabinenluft ab und gewinnen Sauerstoff zurück – als Nebenprodukt entsteht Methan, das ins All abgelassen wird. Auch die getrockneten Exkremente der Astronauten werden von der Station in den Weltraum „entlassen“ – sie sollen in der Erdatmosphäre verglühen.

Wenn in Zukunft die Raumfahrt an Bedeutung weiter zunimmt und vielleicht sogar Raumstationen auf anderen Himmelskörpern errichtet werden, stellt sich immer stärker die Frage nach der Nachhaltigkeit der Raumfahrt.

Britische, niederländische und US-Forschende um Rosa Santomartino haben sich nun angesehen, welche nachhaltigen Weltraum-Technologien mithilfe von Mikroorganismen möglich wären (Nature Communications, 21. 3.). Angetrieben wurden sie von zwei Ideen: erstens vom ethischen Gedanken, den Weltraum nicht zu verschmutzen; und zweitens von der Einsicht, dass ein möglichst vollständiges Verwerten aller Ressourcen – im Sinne einer Kreislaufwirtschaft – die Autarkie von Raumstationen erhöhen und die Notwendigkeit von Versorgungsflügen reduzieren würde. So könnte man mit mikrobiologischen Verfahren etwa den Kohlenstoff aus der Abluft oder Stickstoff und Phosphor aus den Abfällen zurückgewinnen und z. B. für die Nahrungsmittelproduktion an Bord nutzen.

Beim Bau etwaiger Raumstationen auf dem Mond oder Mars sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt: Bakterien könnten etwa zur Gewinnung wichtiger Materialien aus dem Gestein herangezogen werden („biomining“). Oder: Baumaterialien könnten vor Ort durch die Fähigkeit von Mikroorganismen zur Bildung von Kalk aus CO2(„bioconcrete“) oder mithilfe von Pilzmyzelen („myco-architecture“) hergestellt werden.

Dafür ist freilich noch viel Forschung nötig. Doch die Vision ist faszinierend. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Innovationen aus der Raumfahrt später auch auf der Erde Nutzen stiften.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2023)

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