Mit dem Karfreitagsabkommen ging vor 25 Jahren der Nordirlandkonflikt zu Ende. Aber noch immer suchen Angehörige der Opfer nach Antworten. Ein Versuch der Regierung in London, einen Schlussstrich zu ziehen, stößt hier auf Unverständnis.
Der Nieselregen kommt und geht. Natasha Butler muss sich immer wieder ihre Kapuze überziehen, als sie durch die Straßen von Springhill führt, einem Quartier im Westen von Belfast. Der Tag, von dem sie berichtet, war ganz anders: ein warmer Abend im Juli. Mit ruhiger Stimme erzählt Butler, wie sich das Massaker abspielte. Wie die britischen Soldaten von einem Verschlag hinter einer Mauer auf zwei Autos zu schießen begannen und den 19-jährigen Martin am Hinterkopf trafen. Wie die Anwohner ihm zu Hilfe eilen wollten und ebenfalls unter Beschuss gerieten. Sie spricht vom 16-jährigen Johnny, dem die Scharfschützen in den Rücken schossen, und von der 13-jährigen Margaret, die von einer Kugel tödlich getroffen wurde. Und sie erzählt vom 38-jährigen Paddy, ihrem Großvater, der an jenem Tag ebenfalls erschossen wurde.
Eigentlich ist das alles lange her. Es war der 9. Juli 1972, wenige Jahre nach Beginn der „Troubles“, wie der Bürgerkrieg in Nordirland genannt wird. Aber für die Menschen von Springhill ist es Teil der Gegenwart. In diesem Februar, mehr als fünfzig Jahre nach dem Tod der fünf Zivilisten, begann in einem Belfaster Gericht eine amtliche Untersuchung zum Vorfall. Solche „Coroner's inquests“ finden im britischen Rechtssystem immer dann statt, wenn die Todesursache nicht geklärt ist.