Axel Springer Verlag

„Boys Club“: Ein Podcast über das System hinter Reichelt

Julian Reichelt, ehemaliger "Bild"-Chefredakteur.
Julian Reichelt, ehemaliger "Bild"-Chefredakteur.(c) Getty Images (Alexander Hassenstein)
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Es gehe um mehr als nur einen Einzelfall, es gehe um ein ganzes System. Zwei Journalistinnen widmen sich in einem Podcast der Frage, was hinter den Mauern des Axel Springer Verlags wirklich vor sich geht.

Über ein Jahr recherchierten die zwei Investigativjournalistinnen rund um den Fall Julian Reichelt, den mutmaßlichen Machtmissbrauch des ehemaligen Chefredakteurs der „Bild“-Zeitung. Sprechen wollte zunächst kaum jemand mit ihnen, zu groß sei die Angst um Job, Ruf und Existenz gewesen. Selbst bei jenen Betroffenen, die gar nicht mehr im Journalismus tätig waren. Etwas, das Pia Stendera und Lena von Holt als enorme Macht seitens des Axel Springer Verlags verstehen. Der Verlag selbst hätte sich auch nicht äußern wollen, zumindest seien viele Fragen bis zu Redaktionsschluss unbeantwortet geblieben. 

Mit journalistischer Hartnäckigkeit und vermutlich noch viel mehr Feingefühl gelang es letzten Endes aber genügend Stimmen zu sammeln - wenn auch technisch verfremdet - um Einblicke in das System geben zu können, das die Causa Reichelt genährt hatte. Unter dem Namen „Boys Club - Macht & Missbrauch bei Axel Springer“ werfen Stendera und von Holt einen Blick hinter die Fassade des wohl mächtigsten deutschen Medienkonzerns (der auch in den USA die Nummer eins werden will, so habe es der Vorstandvorsitzende Mathias Döpfer formuliert, der unlängst erst mit Chat-Nachrichten für Aufsehen sorgte). Im Podcast geht es um mehr als „nur“ die Causa Reichelt. Mehr als um einen mutmaßlich übergriffigen Vorgesetzten, der seine Macht missbraucht haben soll, um etwa mit ihm untergestellten Frauen zu schlafen. „Es geht um etwas viel Größeres“, so Stendera in Folge eins. 

Springer-Vostandsvorsitzender Mathias Döpfner.
Springer-Vostandsvorsitzender Mathias Döpfner. (c) APA/dpa/Kay Nietfeld (Kay Nietfeld)

Hinter die Fassade 

Man rollt den Fall von hinten auf, was schnell zur hauseigenen Journalistenschule führt, der Axel Springer Academy, oder heute FreeTech Academy. Die beginnt mit einer Führung im Berliner Verlagsgebäude, inklusive dem 16. und 19. Stock, der News-Zentrale der „Bild“ und dem Journalistenclub von Axel Springer. Mit Holz vertäfelte Wände, Ledersessel auf schweren Teppichen und natürlich eine Bar. Ein Satz sei einem Schüler besonders im Ohr geblieben, weiß Stendera aus einem der Interviews: „Solange ihr hier einen Arbeitsvertrag habt, ist das auch euer Zuhause.“ 

Protzige Weihnachtsfeiern (mit Nile Rodgers als Gast, man kennt zumindest „Le Freak"), Pressereisen mit der Business Class (als Auszubildende) und das scheinbare Verhältnis auf Augenhöhe mit der Chefetage tun ihr Übriges, um Neulinge anzufixen, sie lassen sie sich als Teil etwas Größerem fühlen. Pia Stendera, deren Stimme auch durch den Podcast führt, vergleicht das ganze mit einem Rausch, aus dem so manche mit Kopfschmerzen und Scham wieder aufwachen musste. Etwa Nora, die sich, als die Causa um Reichelt publik wurde, noch hinter ihn stellte. Im Podcast spricht sie erstmals, auch aus schlechtem Gewissen.

Entscheidungen verstehen

Die ersten beiden Folgen von „Boys Club - Macht & Missbrauch bei Axel Springer“ geben Einblick, wie junge Menschen zur Zeitung kommen, was sie an den Ort bindet und wie er die eigenen Grenzen verschiebt. Denn die „Bild“ selbst hätte keine, das vermitteln diverse Erzählschnipsel interviewter Betroffener. Missstände würden ignoriert, verschleiert oder gar unterstützt. Der Erzählstrang des Formats lässt Hörende die Entscheidungen ehemaliger „Bild“-Mitarbeitenden nachvollziehen, bis zu einem gewissen Grad gar nachfühlen. Auch gibt er punktuell Einblicke in die Gefühlswelt der beiden Recherchierenden, in eine harte und insbesondere wohl aufreibende Arbeit. 

Unterstützt hatte sie dabei die Produktionsfirma TRZ Media von Jan Böhmermann, Hanna Herbst und Robin Droem in Kooperation mit dem Streamingdienst Spotify. Acht Folgen werden es insgesamt, an den kommenden drei Montagen erscheinen jeweils noch zwei. 

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