Der Westen hat die machthungrigen Militärs im Sudan lang mit Samthandschuhen angefasst. Sie treiben das Land nun mit brutalen Gefechten an den Rand des Zusammenbruchs.
Khartum/Kapstadt. Nie wurde deutlicher als in diesen Tagen, was den Sudan zurückhält: machthungrige Generäle. Sie lassen seit Samstag persönliche Fehden in einen Krieg ausarten, der mit Luftangriffen und schweren Gefechten inmitten von dicht besiedelten Wohngebieten ausgetragen wird. Beide Hauptakteure, sowohl Armeechef und Militärherrscher Abdel Fatah al-Burhan als auch sein inzwischen verfeindeter Stellvertreter Mohammed „Hemeti“ Daglo gehören dringend vor das Weltstrafgericht. Und nicht an die Spitze eines geopolitisch nicht nur in Afrika wichtigen Landes.
Das war weit vor dem seit Samstag eskalierten Machtkampf zwischen der Armee und Daglos lang vom Staat geförderter Miliz Rapid Support Forces (RSF) klar – schließlich waren Kriegsverbrechen von Burhan und Daglo schon zu Zeiten des Darfur-Konflikts offensichtlich. Aber wirklich signalisiert hat es der Westen den beiden Generälen seit ihrem Sturz der Übergangsregierung vor 18 Monaten nie in der nötigen Klarheit.
Stattdessen, und auch das gehört zu den Gründen für die allein seit Samstag rund 100 getöteten Zivilisten, wurden sie vom Westen nach ihrem Putsch gegen die Übergangsregierung mit diplomatischen Samthandschuhen angefasst. Die schwachen Sanktionen von USA und EU trafen die Militärelite kaum – man ließ damit die Zivilbevölkerung im Stich, die seit vier Jahren unter maximalem Risiko für die Demokratie kämpft.
Gefangen im eigenen Haus
Professor Siddiq Tawer Kafi macht das wütend. Er war einer der fünf Zivilisten in Sudans Übergangsregierung, die von Burhan und Daglo aufgelöst wurde. „Die Lage ist dramatisch, wegen der Kämpfe natürlich, aber auch der humanitären Folgen“, sagt er am Telefon, „Krankenhäuser mussten evakuiert werden, weil sogar sie beschossen wurden. Die Märkte und die meisten Geschäfte bleiben zu, die Versorgung mit Trinkwasser ist wegen der Kämpfe unterbrochen.“ Das Volk sei gefangen in den eigenen Häusern.
Laut Kafi handle es sich um einen reinen Machtkampf zwischen Daglo und Burhan, denen es nicht um die Zukunft des Landes gehe. „Beiden fehlt jede Unterstützung des Volks“, sagt Kafi. Burhan wolle an der Spitze des Landes bleiben, und zwar dauerhaft. Da strebe Daglo hin, er habe gezielt Beziehungen in Afrika und arabischen Ländern aufgebaut, sei völlig inakzeptabel wie eine Parallelregierung aufgetreten. „Es geht nur um Macht“, sagt Kafi, „und alle Menschen im Sudan sind gegen Krieg.“
Die zögerliche Haltung des Westens ist derweil nicht neu. Schon gegen Ende der jahrzehntelangen Regentschaft des im Jahr 2019 gestürzten Diktators Omar al-Baschir flossen Hunderte Millionen Euro aus EU-Mitteln an den Sudan, um Migration aus Ostafrika einzudämmen. Auch nach der niedergeputschten Revolution galt im Westen das Mantra, dass eine politische und friedliche Lösung nur mit Verhandlungen mit dem Militär zu erreichen ist.
Doch die Generäle haben die Unterstützung von Russland und China, das zeigte sich Anfang März, als beide Weltmächte die Aufhebung von UN-Sanktionen und eines Waffenembargos gegen den Sudan forderten. Die Hoffnung von Teilen des Volks, besonders unter der jüngeren Bevölkerung, auf eine entschiedenere Haltung des Westens als Gegengewicht wurde enttäuscht.
Diesmal bedarf es einer klaren Reaktion, sagt Kafi, der eine militärische Intervention ablehnt. „Klar ist, dass diese Krise von den Menschen im Sudan gelöst werden muss.“ Wenn die Lage fortbestehe, werde das Konsequenzen über die Grenzen hinaus haben. „Der Sudan ist das geografische Zentrum der Region, Erschütterungen sind weit entfernt spürbar“, so Kafi, „bis nach Europa, denn bei einer längeren Krise muss von mehr Migration ausgegangen werden.“