Truppenbesuch

Wenn Putin seinen Soldaten eine Beschützer–Ikone überreicht

Putin brachte die Kopie einer Ikone mit auf seinen Besuch in den besetzten ukrainischen Gebieten.
Putin brachte die Kopie einer Ikone mit auf seinen Besuch in den besetzten ukrainischen Gebieten.APA/AFP/RUSSIAN PRESIDENTIAL PRE
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Die Visite in der besetzten Südukraine soll russischen Militärs vor der erwarteten ukrainischen Frühjahrsoffensive Mut machen.

Moskau/Wien. Aus einer hölzernen Kiste packt Wladimir Putin eine Ikone aus und präsentiert den anwesenden Militärs die Christus-Darstellung: Es ist der „Spas Nerukotwornij“, der „nicht von Menschenhand erschaffene“ Erlöser, eine berühmte Darstellung Jesus' als Beschützer des Militärs. Es handle sich um die Kopie einer Ikone, fährt Putin angetan fort, die einst „einem der erfolgreichsten Kriegsminister“ des russischen Zarenreichs gehört habe.

Putins Faible für die Orthodoxie, einflussreiche russische Staatsmänner und den Symbolismus historischer Daten ist bekannt. Er bezieht sich offenbar auf Pjotr Wannowskij, geboren in Kiew, gestorben in St. Petersburg, der im 19. Jahrhundert als Verteidigungsminister die Streitkräfte maßgeblich entwickelte. Das Geschenk des Kreml-Chefs ist zugleich Auftrag: Russlands Armee soll über die Ukraine siegen. Die auf einem offiziellen Video festgehaltene Szene ist ein besonders kurioses Zeugnis von Putins jüngstem Besuch in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine. Trotz des Ausbleibens realer militärischer Erfolge sollen die Russen an den Sieg glauben, getreu dem Motto „Mit uns Gott“.

Die seltene Visite des „Oberbefehlshabers“, wie er in dem Clip beständig tituliert wird, wurde am Dienstag bekannt. Auf Nachfrage erklärte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow, die Reise habe am Montag stattgefunden. Unabhängig bestätigen lässt sich das nicht. Der Kreml jedenfalls will das orthodoxe Osterfest vom vergangenen Wochenende als Anlass verstanden wissen. Putin landete demnach mit dem Helikopter auf ukrainischem Festland, fuhr im Auto weiter nach Henitschesk nahe der Krim und traf die Spitzen der Militärgruppe Dnjepr, die ihm über die Lage im besetzten Cherson und Saporischschja Auskunft gaben. „Mir ist wichtig, Ihre Meinung zu hören und Informationen auszutauschen“, sagte er. Danach Weiterflug. Ein Militärlager, Flugzeuge, ein Bunker. Inspektion bei der Nationalgarde im besetzten Gebiet Luhansk.

Nervosität vor Angriff im Süden

Putins Besuch dient der Beruhigung in den eigenen Reihen und will Mut machen. Die Nervosität vor der Frühjahrsoffensive der Ukrainer im russischen Militär ist groß. Putins Visite soll zeigen, dass der Kreml in engem Kontakt mit den Truppen vor Ort steht und über die Lage im Bilde ist. Putin habe Informationen über „Verteidigungsmaßnahmen“ erhalten. Wie schon öfter kolportiert, könnte insbesondere die Südukraine im Fokus eines ukrainischen Vorstoßes stehen – also genau jene Region, die der Kreml-Chef besuchte.

Während der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskij, bereits mehrfach an die Brennpunkte des Kriegs gereist ist und sich dort mit einfachen Soldaten gezeigt hat, hat Moskau auf Frontbesuche lang verzichtet. Erst seit sich Kritik von Militärbloggern und anderen ultrapatriotischen Kräften über die „Abgehobenheit“ der Militärspitze geregt hat, ist eine gewisse Aktivität spürbar. Verteidigungsminister Sergej Schoigu etwa war Anfang März im besetzten Gebiet Donezk. Kreml-Chef Putin reiste später im März erstmals ins Kriegsgebiet.

Die damals vom Kreml veröffentlichten Szenen seines Besuchs in Mariupol sorgten allerdings für Verwunderung. Zu sehen war, wie Putin im Dunkel der Nacht mit Bewohnern eines wiederaufgebauten Wohnhauses ein paar Worte wechselt. Umgeben von nervösen Personenschützern wirkte die Szene nicht besonders authentisch. Zudem weiß man aus früheren Putin-Clips, dass manche „Zivilisten“ in unterschiedlichen Rollen immer wieder auftauchen, also angeheuerte Statisten sind. Auch dieses Mal wirkte die Unterredung mit den hochrangigen Militärs nicht besonders gelöst. Immerhin: Der Kreml-Chef reiste nun bei Tageslicht.

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