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"Starship": Größte Rakete der Welt kurz nach dem Start explodiert

SpaceX's next-generation Starship spacecraft lifts off from the company's Boca Chica launchpad
SpaceX's next-generation Starship spacecraft lifts off from the company's Boca Chica launchpadvia REUTERS
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Das größte und stärkste Raketensystem der bisherigen Raumfahrtgeschichte hob in Texas zum ersten Mal ab, brach aber wenige Minuten später auseinander. Das SpaceX-Projekt ist so angelegt, dass Raumschiff und Rakete wiederverwendet werden können. Hinter allem steht der Unternehmer Elon Musk.

Das größte Raketensystem der Raumfahrtgeschichte hob heute Nachmittag (Donnerstag, kurz nach 15.30 Uhr MESZ) im zweiten Anlauf zum ersten Mal von der Erde ab. Wenige Minuten später zerbrach es in der Luft und explodierte. Weiteres war vorerst unklar.

Eigentlich hätte das "Starship" des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX von Tech-Milliardär Elon Musk bereits am Montag nahe Brownsville im US-Bundesstaat Texas zu einem ersten kurzen Testflug abheben sollen. Das wurde aber kurz vor dem Start wegen eines Problems mit einem Treibstoffventil verschoben.

„Starship" - bestehend aus dem rund 70 Meter langen Booster (Startstufe) „Super Heavy" und der rund 50 Meter langen, ebenfalls „Starship" genannten oberen Stufe, dem eigentlichen Raumschiff - bemannte Missionen zu Mond und Mars ermöglichen, aber auch für Einsätze unterschiedlichster Art in Erdnähe taugen. Das System ist so konstruiert, dass Raumschiff und Rakete zur Erde zurückschweben, landen und sehr rasch wiederverwendet werden können. Beim jetzigen Testflug, der nur rund eineinhalb Stunden dauern sollte, wären sie aber plangemäß ins Meer gefallen und wohl versunken - das Raumschiff wäre dabei fast um die ganze Erde geflogen und nahe Hawaii heruntergekommen.

Der Livestream von SpaceX startete um 14.45 Uhr. Beim Startort in Boca Chica, einem Ort an der Küste von Texas haarscharf an der Grenze zu Mexiko, lagerten Tausende Menschen, um zuzusehen. Eine halbe Minute vor der geplanten Startzeit wurde der Countdown gestoppt: Man müsse noch „Dinge“ im Zusammenhang mit dem Treibstoffsystem prüfen. Wenige Minuten später ging der Countdown weiter.

US-SPACE-SPACEX-STARSHIP
US-SPACE-SPACEX-STARSHIPAPA/AFP/SPACEX/HANDOUT

Und was jetzt? Weitermachen!

Etwa vier Minuten später war alles vorbei: Bei fast 30 Kilometern Höhe und kurz vor der Trennung der beiden Segmente bekam das System offensichtlich Schieflage, begann Bögen zu fliegen, kam ins Trudeln und explodierte in einer mächtigen weißen Wolke. Die Reste fielen ins Meer.

Die Hunderten Space-X-Mitarbeiter am Boden waren kurz still, doch begannen angesichts der Explosion tatsächlich zu jubeln. In der Firmenkultur sieht man Scheitern nicht als Niederlage, sondern als Zwischenstufe zum Erfolg, nach dem Motto: „If you fail, you do it again. And try to fail better.“

Die Moderatoren des Livestreams sowie der Startmanager sahen die Sache ebenfalls locker: „Wir räumen den Startplatz auf und tun es wieder“, hieß es. Dann endete der Livestream.

Über die mögliche Ursache wollte man vorerst nichts sagen. Beobachtern fiel auf, dass einige der insgesamt 33 „Raptor"-Düsen der Startstufe (einige davon sind schwenkbar) nicht zu funktionieren schienen, aus ihnen schoss nichts heraus. Die Beobachtung wurde wenig später durch eine Grafik der Bodenkontrolle bestätigt. Das eigentliche Raumschiff hat sechs Düsen der gleichen Art.

Es war auch nicht der erste Fehlschlag der bisherigen Teststarts, denn von bisher neun gingen immerhin vier schief. Allerdings waren es nur Testflüge einzelner Komponenten sowie von kleineren Prototypen, die dabei zwischen 20 Meter und zehn Kilometer Höhe erreichten. Diesmal waren Schiff und Startstufe erstmals gekoppelt. Der nächste Versuch soll in ein paar Monaten erfolgen.

Elon Musk (51), der gebürtige Südafrikaner und Chef unter anderem des E-Auto-Herstellers Tesla, geht mit dem Starship (und den schon in Verwendung befindlichen Raketenmodellen der Falcon-Serie) Wege, die für die künftige Raumfahrt eigentlich logisch wirken, aber angesichts der aktuell verbreiteten Technik noch nach Science Fiction aussehen.

„Big Fucking Rocket"

Die ersten Überlegungen zu einer enorm großen Rakete samt Raumschiff wurden bei SpaceX Mitte der 2000er gemacht und 2010 bei einer großen Raumfahrt-Tagung in den USA präsentiert. 2016 tauchte der Name „Interplanetary Transport System auf", salopp auch „Big Fucking Rocket“ genannt, verbunden mit dem Mars als Ziel, was laut Musk schon 2024 möglich sein sollte. Erfahrungsgemäß geht's in der Raumfahrt aber selten so schnell, wie es angekündigt wird. 2018 kamen dann die Namen Starship und Super Heavy auf.

Unglaubliche Wiederverwendbarkeit

Eine große Besonderheit ist, wie erwähnt, die Wiederverwendbarkeit beider Großelemente. Das eigentliche Schiff soll demnach bis zu zwölf Mal fliegen können, die Startstufe bis zu Tausend Mal. Musk will die Zeit dazwischen auch dramatisch reduzieren, die Segmente sollen binnen weniger Tage oder gar Stunden erneut einsetzbar sein. Mit einer gewissen Anzahl an Starships wäre damit ein regelmäßiger Flugverkehr so wie in der gewöhnlichen Zivilluftfahrt denkbar.

Das Schiff kann in einer Version auch als Tanker dienen, um in einem Erdorbit zu kreisen und ein mit Fracht und/oder Passagieren befülltes Starship oder andere Raumschiffe zu betanken - damit würden interplanetare Flüge und Mondflüge massiv begünstigt.

Das Starship-Raumschiff hat die Form einer Gewehrpatrone und ist - auch das eine Neuheit - ein Mehrzweckfahrzeug. Es soll also nicht nur in erdnahe Orbits, zum Mond und darüber hinaus fliegen, sondern wie erwähnt auch als Raumtanker dienen, als Versorger von Raumstationen, es soll einzelne oder ganze Schwärme von Satelliten aussetzen und auf anderen Himmelskörpern landen und starten können. Angeblich sollen bis zu 100 (!) Menschen darin Platz haben, was angesichts bisheriger Raumkapseln mit ihren zwei bis drei Insassen (bei den brandneuen Orion-Kapseln der Nasa könnten es bis zu sechs sein) eine echte Revolution wäre.

In einer Variante ist das Schiff als hyperschneller Transporter auf der Erde gedacht - es würde in ein bis zwei Stunden jeden Punkt auf dem Planeten erreichen. Nicht zuletzt deshalb ist das US-Militär daran interessiert, und die Nasa hat rund drei Milliarden US-Dollar mitinvestiert, weil sie die Rakete als Teil ihres Mondprogramms sieht.

So stark wie rund 300 Airbus A320

Im Vordergrund der Berichterstattung stehen oft Größe und Stärke des Gesamtsystems. Tatsächlich ist das Gesamt-Starship mit rund 120 Metern Höhe etwa zehn Meter höher als die legendären Saturn-V-Raketen, mit denen zwischen 1969 und 1972 Astronauten zum Mond flogen. Die höchste aktuell verwendete Rakete ist die (oder das) SLS (Space Launch System), Version Block 1, der Nasa bzw. eines Konsortiums um Boeing, Northrop Grumman, Aerojet Rocketdyne und United Launch Alliance. Sie misst rund 98 Meter.

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Aber Größe besagt nicht alles: Die Schubkraft der Super Heavy (sie verbrennt Methan, also Erdgas, mit flüssigem Sauerstoff) ist etwa 2,5 mal größer als jene der Saturn V und rund doppelt so groß wie jene des SLS. Das sagt Ihnen wenig? Okay: Sie entspricht der kombinierten Schubkraft von rund 300 Passagierflugzeugen des weithin verbreiteten Modells Airbus A320-200.

Und was man damit machen kann? Nun, für den erdnahen Weltraum sollen damit Lasten von 100 bis 150 Tonnen Masse beförderbar sein, sogar von mehr als 200 Tonnen, wenn man die Rakete nicht kontrolliert landet und einfach crashen lässt. Die SLS schafft 90 bis 100 Tonnen, die stärkste europäische Ariane-Rakete 20 bis 30, die amerikanische Delta IV Heavy um die 25, die besten der klassischen russischen Sojus-Raketen um die acht Tonnen.

Über die Erdbahn hinaus Richtung Mond, Mars etc. schafft die Ariane 5 ECA zehn bis 20 Tonnen, das SLS 25 bis 30, die Saturn V einst 43 bis 40 Tonnen. Beim Starship sind es anfangs zwar projektiert „nur" etwa 21 Tonnen - aber sollte so ein Schiff im Erdorbit nachbetankt werden, sind Massen von unglaublichen mehr als 100 Tonnen möglich.

Tankstelle auf dem Mars

Dass als Treibstoffkomponente übrigens das im Raketenbau nicht so häufig vorkommende Methan (CH4) dient, wo doch Flüssigwasserstoff üblicher und vor allem kraftvoller ist, hat außer ein paar technischen Gründen vor allem einen Sinn: Elon Musk will wirklich zum Mars! Und dabei besteht der Plan, aus dem dortigen Wassereis per Elektrolyse Sauerstoff und Wasserstoff zu gewinnen, beides flüssig zu lagern und aus dem Wasserstoff im Verein mit Kohlendioxid aus der Marsatmosphäre Methan zu machen. Man erzeugt also beide Treibstoffkomponenten vor Ort. Den dafür nötigen Strom soll ein Solarkraftwerk erzeugen.

ESA

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