Die Ich-Pleite

Neue Maßnahme zur Gesundheit am Arbeitsplatz

Carolina Frank
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Stress macht gesund, schlank und glücklich. Das ist wissenschaftlich erwiesen.

Wenn im Nachbarland die Piloten streiken und man mit dem ­
Zug zu spät zu seinem Vorstellungs­gespräch kommt, hat man sich vielleicht den Karrierestart verbockt, ­aber dafür hat man ein paar Deka abgenommen. Und vermutlich sogar ein bisschen Lebenszeit gewonnen. Denn der Körper zeige im Stress, was er kann. Er mache uns schlauer, schneller, verlangsame den Alterungsprozess und schütze vor Alzheimer und Krebs, sagen Studien.

Das sind gute Neuigkeiten für alle Chefs, die bisher vielleicht gezögert haben, ihrem Team am ­Freitagabend zu sagen: „Bis zum ­Montag will ich eine neue Idee am Tisch haben. Das kann ja meine ­Dreijährige besser.“ Jetzt ­wissen sie: Das ist keine Schikane, sondern eine Maßnahme zur Gesundheit am Arbeitsplatz. Natürlich, wenn der Stress zur Routine wird, wie zum Beispiel bei Spitalsärzten, wirkt er nicht mehr lebensverlängernd. Möglich, dass der eine oder andere Chefarzt, der sich um seine bleiche, übernächtige Ärzteschaft Sorgen macht, daraufhin die Dosis erhöht und zur Jung­chirurgin sagt: „Die heutige Herz­transplantation übernehmen Sie.“ ­

Und wenn er ihren Puls noch ein bisschen beschleunigen und die Hitze ins Gesicht steigen lassen will, sagt er dazu: „Ich schaue Ihnen dabei über die Schulter.“ Cortisol und Endorphine werden in ihrem Gehirn ausgeschüttet. Und wenn alles gut gegangen ist, sorgt das Hormon Oxytocin für ein gutes Gefühl. Der Mensch ist glücklich. Einziger Nachteil: Angestellte sind undankbar. Die meisten holen sich ihren lebensverlängernden Kick lieber im Fußballstadion, beim Techno-­Konzert, im Horrorkino oder beim Kindergeburtstag. Auch nicht immer ganz freiwillig. 

("Die Presse Schaufenster" vom 21.04.23)

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